Hero:ine of the month – Mai Thi Nguyen-Kim:
Die deutsche Journalistin und Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim ist in Deutschland zur Journalistin des Jahres 2020 gekürt worden. Sehr verdient, wie wir finden. Die Wissenschaftsjournalistin ist unsere Heroine* des Monats im Dezember.
Youtube statt Labor
Eigentlich hätte Mai Thi Nguyen-Kim Chemikerin werden sollen. Sie machte den Doktor in Chemie und arbeitete als Doktorandin an der Harvard University. (Der Titel ihrer Arbeit: „Physikalische Hydrogele auf Polyurethan-Basis“.) Ihr Vater ist Chemiker, ihr Bruder auch und sogar ihr Ehemann arbeitet als Chemiker. Mai entschied sich aber für einen anderen Weg.
Statt im Labor sitzt sie – meist mit einer Tasse Tee – vor der Kamera und erklärt wissenschaftliche Fragen einfach und verständlich. Ihr Youtube-Kanal maiLab hat mittlerweile über eine Million Abonnent*innen.
Über Pandemie aufklären
Was macht Mai Thi Nguyen-Kim aus? Die Wissenschaftsjournalistin widmet sich umstrittenen Themen und klärt auf. Sie zitiert aus wissenschaftlichen Journals und ordnet ein, wie aussagekräftig die Ergebnisse sind. In diesem Jahr hat sie sich vor allem der Aufklärung über die Corona-Pandemie verschrieben.
So erklärte sie etwa in einem Video, wieso verschiedene Virologen unterschiedliche Meinungen vertreten und ordnet die Aussagen für das fachfremde Publikum ein. Dabei schafft sie den schwierigen Spagat zwischen konkreter, aber komplexer Sprache und unscharfer Vereinfachung.
Typisch Streberin
„Mein Strebertum ist die beste Voraussetzung für meine Arbeit“, sagt Mai Thi Nguyen-Kim einmal in einem Interview. Die Liebe zum Detail, die unheimlich genaue Recherche, das sind ihre Stärken.
Als Frau in der Wissenschaft habe sie zwischenzeitlich gemerkt, dass sie nicht ganz so ernst genommen wurde:
„Wenn du in Meetings von Projektpartnern konsequent ignoriert wirst, während sie den Masterstudenten wie selbstverständlich für den Projektleiter halten, dann denkst du dir irgendwann: Okay, das ist also dieser Sexismus, von dem immer alle reden.“
Vorurteile in Wissenschaft und Journalismus
Aber die Wissenschaft ist nicht die letzte Männerdomäne. Auch ihr neues Arbeitsumfeld ist manchmal schwierig.
„Das ist im Journalismus übrigens komplizierter: Wer im Fernsehen kompetent Wissenschaft erklärt, sollte besser auch aussehen wie ein alter weißhaariger Professor, sonst verwirrt das die Zuschauer.“
Das ändert sich langsam aber sicher. Und Mai Thi Nguyen-Kim ist ein Vorbild für junge Frauen, die in die Naturwissenschaften gehen wollen – oder eben vor die Kamera.
An dieser Stelle noch eine ausdrückliche Empfehlung für ihr Video zum Gender Pay Gap: