Hero:ine des Monats – Johanna Dohnal

Wir finden solche Menschen wunderbare Vorbilder, die nicht müde werden, sich ganz konkret für die Gleichbehandlung von Frauen* einzusetzen – auch und vor allem weil wir wissen, wieviel Energie es oft kostet, unbequem zu sein.

Nur eine Frauenorganisation, die lästig ist, hat eine Existenzberechtigung.

©Elfie Semotan

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

So ein starkes Vorbild war und bleibt Johanna Dohnal. Die ehemalige Frauenministerin hätte am 14. Februar ihren 81. Geburtstag gefeiert. Doch die Geschichte wollte es, dass sich stattdessen am 20.02.20 ihr Todestag zum zehnten Mal gejährt hat. Diese beiden Tage, sowie die Filmpremiere des tollen Vermächtnisses „Die Dohnal“ vor zwei Wochen, haben uns veranlasst, sie zur Hero*ine of the Month im Februar zu küren.

Filmplakat Die Dohnal Falls dir ihr Name nichts sagt, geh unbedingt ins Kino und schau dir Sabine Derflingers spannende wie aufwühlende Doku über Johanna Dohnals politisches Wirken in Österreichs Regierung von 1979 bis 1995 an!
„Die Macht der Männer ist die Geduld der Frauen“ stellte Cristina Perincioli schon 1978 fest – in diesem Sinne war JD keine geduldige Frau, aber bei unzähligen Sequenzen fragt frau sich, wie sie so ruhig bleiben konnte und stets eine wohlüberlegte, eloquente Antwort auf die haarsträubendsten Kommentare ihres Umfelds parat hatte.

Von „Industriekaufmann“ über „Staatssekretär für Frauenfragen“ zur Frauenministerin

Damit du dir eine Vorstellung machen kannst, gegen welche Windmühlen die Wienerin Zeit ihres Lebens gekämpft hat, hier ein paar Einblicke:

In den 50er Jahren machte Johanna – damals noch – Diez eine Lehre zum Industriekaufmann und war das erste Lehrmädchen im Betrieb. Mitte der 70er setzte sie sich als Gemeinderat für die Straffreistellung von Schwangerschaftsabbrüchen ein und auch die Realisierung des ersten Frauenhauses in Österreich (1978) ist der Initiative Johanna Dohnals zu verdanken.

Schwarzweißfoto Bruno Kreisky und Johanna Dohnal

Sie wurde von ihrer Ernennung durch Bundeskanzler Bruno Kreisky 1979 bis 1988 als „Staatssekretär“ für allgemeine Frauenfragen bezeichnet. Fast ein Jahrzehnt hat es gedauert bis die Bestimmungen geändert worden waren und Johanna Dohnal endlich den Titel „Staatssekretärin“ tragen konnte. Ja, das „in“ war wahrscheinlich damals schon mitgemeint.

1990 wurde Dohnal Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und damit die erste österreichische Frauenministerin; die Regierungskarriere der Vorsitzenden des Nationalkomitees zur Vorbereitung der Weltfrauenkonferenz im Herbst 1995 wurde dann von einem Mann im Mai desselben Jahres abrupt beendet. [Ich will den Skandal hier nicht spoilern, wenn du dann gleich „Die Dohnal“ anschauen gehst ;]
Obwohl sie sich danach von ihren politischen Ämtern zurückgezogen hat, blieb sie dem Kampf für mehr Frauen*rechte treu. So war sie etwa beim ersten Frauenvolksbegehren 1997 involviert, hatte eine Gastprofessur an der Universität Innsbruck und ein Buch geschrieben.

Was verdanken wir Johanna Dohnal?

Wir verbleiben mit großer Bewunderung und in ewiger Dankbarkeit für Johanna Dohnals Engagement sowie die zahlreichen Errungenschaften, die Ergebnis ihrer Arbeit in der Politik sind. Sie und ihr damals sehr kleines Team haben für uns Frauen* in Österreich nämlich unter anderem Folgendes erwirkt:

  • Alleinerziehende sind heute auch Vormund ihrer Kinder (bis dahin war das bei unverheirateten Müttern automatisch das Jugendamt). 1989
  • Reform des Strafrechts macht Vergewaltigung in der Ehe strafbar. 1989
  • Kinder von Eltern mit zwei Nationalitäten können sich ebendiese nun aussuchen (sie erhalten nicht mehr automatisch die des Vaters). 1983
  • Ausdehnung des Mutterschutzes auf selbstständig erwerbstätige Frauen sowie Anspruch auf Betriebshilfe bzw. Wochengeld. 1982
  • Möglichkeit der Elternkarenz. 1993
  • vorübergehende Untersagung des Zutritts vom Ehepartner* zur ehelichen Wohnung durch einstweilige gerichtliche Verfügung. 1993 = Vorreiter zum 1997 verabschiedeten Gesetz, das Wegweisung gewalttätiger Partner* möglich machte.
  • Gesetz über vorläufigen – vom Staat bevorschussten – Unterhalt von Minderjährigen (nicht erst nach Abschluss, sondern bereits zu Beginn eines Unterhaltsfeststellungsverfahrens). 1988
  • Aufhebung des nach Geschlecht getrennten Werk- bzw. Handarbeitsunterrichts an Hauptschulen. 1993
  • Aktion “Kriegsopfer: Vergewaltigte Frauen”, Unterstützung von vergewaltigten Frauen und Mädchen im ehemaligen Jugoslawien sowie Errichtung von Beratungsstellen und Frauenhäusern. 1993
  • etc.pp.

Andere Dinge, die JD von Beginn an gefordert hat, sind bis heute nicht erfüllt, oder gar rückschrittlich schlimmer geworden. So hat sie seit Beginn ihrer Regierungstätigkeit eine Arbeitszeitverkürzung auf 35h gefordert, während 2019 der 12-Stunden-Tag eigeführt wurde – sorry, bin kurz abgeschweift.

Die Vision des Feminismus ist nicht eine “weibliche Zukunft”. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn.

In diesem Sinne gedenke ich jedenfalls auch am 14.2.2021 lieber dieser großartigen Frau, als den kalten Herzen des Kapitalismus.

weißhaarige Frau im Pensionsalter mit karriertem Sakko

©2010 Andreas Rathmanner