„Nein zu sagen ist wichtig!” Ein Gespräch über Burnout mit Madeleine Alizadeh aka DariaDaria
Burnout zählt mittlerweile als Volkskrankheit und doch wird es in unserer Gesellschaft immer noch zu oft übersehen und nicht ernst genommen. Wir haben im Rahmen unserer Who cares? Eventreihe mit der Unternehmerin und Autorin Madeleine Alizadeh aka DariaDaria über ihr Burnout geredet. Sie hat uns erzählt, welche Anzeichen es gibt und wie wir damit in unserem Alltag umgehen können.
Eine Nachbericht von Kerstin Kraus.
Wie erkenne ich Burnout?
Die Anzeichen einer Burnout-Erkrankung sind individuell und deshalb oft schwer festzumachen. Beispiele hierfür sind Kopf- oder Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Arbeitssucht und das Gefühl, dass die kleinsten, alltäglichen Aufgaben überfordernd sind.
Madeleine steht als politische Aktivistin in der Öffentlichkeit und sieht sich daher immer wieder mit Hasskommentaren, Morddrohungen und Cybermobbing konfrontiert, diese Umstände haben unter anderem zu ihrer Burnout-Erkrankung geführt. Auch das Thema Klimawandel, mit dem sie sich ausgiebig beschäftigt, trug zu ihrem Burnout bei. Weiterhin sagt sie, dass vor allem alleinerziehende Mütter (und Frauen* generell) für Burnout prädestiniert seien, da die physische und emotionale Belastung, sowie die unbezahlte Care-Arbeit zu Überforderung führen können.
Was sind die Ursachen?
Zu leicht tun wir Probleme als „Stress“ ab und beschäftigen uns nicht weiter damit. Wenn wir gestresst sind, meint die Gesellschaft, wir leisten viel und seien „wertvolle Mitglieder“. Stress wird also glorifiziert. Madeleine schlägt deswegen ein Wording vor, dass auf die Negativität dieser Überanstrengung hinweist, z.B. „Belastung“ oder „Überforderung“.
Sie hält es für
„unmöglich, Beruf und Privat komplett zu trennen. Die Abgrenzung erfolgt nie ganz, da wir immer dieselbe Person sind“.
Von uns wird täglich viel Leistung auf mehreren Ebenen erwartet und Burnout ist als Diagnose immer noch nicht zur Gänze akzeptiert. Verschiedene Bedingungen unserer Gesellschaft schaffen also den Rahmen für Überlastung. Bei einer Häufigkeitsumfrage aus 2019 über Burnout kam heraus, dass 48% der Österreicher*innen nicht gesund sind, sich also in den Stadien 1 bis 3 von Burnout befinden (Start, Übergang, Krankheit). Vor allem betroffen sind Menschen unter 30 sowie von 50-59 Jahren.
Wie suche ich Hilfe?
Oft ist es bei Burnout das Problem, dass man sich keine Hilfe sucht, weil man denkt, dass man alles alleine schaffen muss. Unserer Expertin hat die Gesprächstherapie geholfen, die sie drei Jahre lang gemacht hat. Sie rät, sich an eine Stelle zu wenden, die auf Burnout spezialisiert ist. Je früher man sich Unterstützung sucht, desto besser – oft wird diese Krankheit nämlich zu spät erkannt. In Madeleines Fall ging es ihr alle paar Wochen sehr schlecht und als sie 2020 aufgrund dessen länger ausfiel, wurde bei ihr eine Depression diagnostiziert, die sodann behandelt werden konnte.
Darüber zu reden hilft. Ein*e Freund*in ersetzt aber nicht Therapeut*innen, die mit ihren Kompetenzen professionelle Hilfestellung bieten und oft auf bestimmte Themen spezialisiert sind.
Was macht Burnout zu einem feministischen Thema?
Frauen* übernehmen unbezahlte Care-Arbeit (fast vollständig) und Rollen, die ihnen aufgezwungen werden, was Burnout zu einem hochgradig feministischen Thema macht. Emotionale Arbeit (Konfliktlösung, aktives Zuhören, etc) in Beziehungen wird Frauen* immer noch gesellschaftlich zugeschrieben. Zudem verdienen Frauen* häufig weniger und diese finanzielle Benachteiligung sorgt für zusätzliche Scheu vor Therapie.
Tipps, die unser mentales Well-being verbessern
Allgemein gibt es kein Rezept, das allen hilft. Konzentriere dich auf deine individuellen Bedürfnisse; was du benötigst und was dir in diesem Moment guttut. Madeleine hilft es, das Handy wegzulegen oder auszuschalten, um dem Trubel online (Nachrichten, Soziale Medien) ein Weilchen zu entfliehen. Außerdem hilft es ihr, sich aus der Situation zurückzuziehen und abzulenken, beispielsweise mit Sport, einem Spaziergang oder Lesen sowie früh schlafen zu gehen. Humor hat ihr auch besonders geholfen, mit der Situation umzugehen.
Wichtig: Man kann anderen Leuten nur helfen, wenn es einem selbst gut geht und man die Ressourcen dafür hat. Vor allem Frauen* sind dahingehend sozialisiert, immer anderen Menschen zu helfen und sich um deren Probleme (zuerst) zu kümmern. Es ist mehr als okay, auf dich zu schauen und dich von Situationen abzukapseln, die dir nicht guttun. „Nein“ zu sagen ist wichtig! Wir müssen üben, kein schlechtes Gewissen zu haben, mehr für uns selbst zu entscheiden und uns klarzumachen, was wir WIRKLICH leisten und welche Erwartungen wir TATSÄCHLICH erfüllen müssen. Ab und zu egoistisch zu sein ist vollkommen in Ordnung. Ansonsten richten wir Aggressionen gegen uns selbst, was eine Depression hervorrufen kann. Es ist wesentlich, dass wir uns mit dieser Wut auseinandersetzen damit wir sie auflösen können, bevor sie gefährlich werden kann.
Was braucht es nun?
In erster Linie braucht es mehr Menschen, die über Burnout und andere Erkrankungen ihrer Psyche offen reden. Öfter zeigen, dass wir nicht immer 100% leisten und gewisse Ansprüche, einfach nicht erfüllen können oder wollen. Es ist wichtig, über Problematik und Ursachen von Burnout zu sprechen und es so Teil unseres Alltags zu machen. Wir brauchen ein Vorhandensein psychischer Krankheiten in Zeitungen, auf Social Media und anderen öffentlichen Diskursen. Vor allem unsere Einstellung zu Social Media sollten wir reflektieren, da die sozialen Netzwerke ein verzerrtes Bild der Erfolge einzelner zeichnen, ohne auch deren Misserfolge abzubilden. So entstehen unmögliche Ansprüche an uns selbst, die zu Burnout beitragen können.
Ein gesundes Leben braucht Akzeptanz, dass wir nicht jeden Tag 100% geben und nicht immer gute Laune haben können. Wir müssen verstehen, ab welchem Zeitpunkt Stress eine zu große Belastung darstellt und uns dann Hilfe suchen.
Unsere Expertin geht hier mit gutem Beispiel voran und sprach offen über ihre Burnout-Erkrankung mit ihren Angestellten. Sie zeigt damit, wie normal Burnout oder andere psychische Krankheiten sind. Madeleine ist es wichtig zu betonen, dass eine psychische Krankheit niemandem Autorität abspricht, es kann jede*n treffen.
Who Cares? Take Aways
- Es ist okay, nicht alle gesteckten Ziele zu erreichen
- Darüber reden und Hilfe suchen
- Öfter „Nein“ sagen
- Selbsthilfe reicht nicht immer, da uns die Kompetenzen fehlen
- Eine Freundin* ersetzt keine Therapeutin*
- Solidarity, Sisters*!
Diese Verantstaltung fand im Rahmen von Who Cares? am 22. November 2020 statt. Du kannst die Online-Diskussion auf unserem YouTube Kanal nachschauen.