Muttertag und warum wir darauf verzichten können
/in Whatś on my mind /by Carina GastelsbergerLesedauer: ca. 5 Minuten

Warum ich gerne Mutter bin, aber auf den Muttertag verzichten kann…
Für viele gehört der Muttertag zum Mai, wie die Kinder zur Frau. Und genau das ist mein Problem.
Jedes Jahr am 2. Sonntag im Mai wird in vielen Ländern der Muttertag gefeiert. Mütter werden an diesem Tag mit einer Aufmerksamkeit überschüttet, die erdrückend ist. Als Kind konnte ich damals das Unbehagen meiner eigenen Mutter noch nicht deuten, die nicht so recht wusste, wie sie mit den überbordenden Huldigungen meines Bruders und mir umgehen sollte. Ausgestattet mit Gedichten, Liedern und Zeichnungen aus Kindergarten und Schule, haben wir ihren Garten auf der Suche nach Blumen umgepflügt, die Küche in Beschlag genommen um Frühstück vorzubereiten und lautstark unsere Liebe vorgetragen. Alles, im besten Glauben, ihr eine Freude zu machen.
Es sollte einige Jahre dauern, bis ich das Verhalten meiner Mutter nachvollziehen konnte, und zwar, als ich selbst frischgebackene Mutter war. Müde und immer noch überwältigt von Wochenbett und Geburt, aber auch der Verantwortung für dieses neue Leben 24/7 verantwortlich zu sein, brach dieser kapitalistisch überzelebrierte Tag über mich herein. Ein Feiertag, der mich auf ein Podest heben wollte, um das ich so nicht gebeten habe. Dieses krampfhafte Sichtbarmachen, gebündelt mit einer Überidealisierung des Mutterbildes, konnte mich nicht über die Ungleichheiten unserer patriarchal geprägten Gesellschaft hinwegtäuschen. Eine Ungleichheit, die ich im Zuge meiner Mutterschaft sehr deutlich zu spüren bekam. Nein, auf diesen Feiertag kann ich getrost verzichten.
Überidealisierung der Mutterrolle
Schwangerschaft und Geburt sind zweifelsohne gewaltige Erfahrungen, und wahrscheinlich die größte körperliche Leistung, die ein Mensch bringen kann. Die Tatsache, dass ein Körper innerhalb von rund 40 Wochen einen Menschen erschaffen kann, ist schon beeindruckend. Allerdings geht die Bewunderung des weiblichen Körpers oftmals nahtlos über zu einer Überidealisierung der Mutterrolle, die dem weiblichen Geschlecht aufgrund der Fähigkeit, ein Baby zur Welt bringen zu können, aufgedrückt wird. Denn, wie schon Annika Rösler und Evelyn Höllrigl Tschaikner dargelegt haben (siehe auch unsere Buchrezension) gibt es den Mutterinstinkt schlicht nicht. Jede Person, die bereit ist, sich um ein Kind zu kümmern, kann diese Rolle einnehmen. Bindung ist eine bewusste Entscheidung, und die Verabschiedung dieses Mythos sowie geschlechterbasierter Rollenbilder ist wichtig, um Elternschaft neu zu denken.
Eine Idealisierung der Mutter ist auch problematisch, weil sie Frauen in eine Rolle drängt, die mit Selbstaufgabe, bedingungsloser Liebe und unbezahlter Care-Arbeit verbunden ist. Noch immer überwiegt die gesellschaftliche Erwartung, dass Frauen durch Mutterschaft ihre Erfüllung finden, während das Leben der Väter meist ohne gröbere Veränderungen weiterläuft.
Was uns Frauen Mutterschaft kostet
Die Entscheidung für ein Kind bedeutet für Frauen oftmals eine prekäre finanzielle Situation, oder gar finanzielle Abhängigkeit vom Mann. Das verdeutlicht auch der sogenannte Child Penalty Gap, das Phänomen, bei dem Frauen nach der Geburt eines Kindes dauerhaft im Erwerbsleben Einkommensverluste erleiden; im Gegensatz zu Männern, deren Einkommen davon kaum oder gar nicht betroffen ist. Nicht zuletzt deshalb, weil sie wenig bis kaum in Karenz gehen und weniger Care-Arbeit leisten.
Die Fakten:
- Karenz ist immer noch Frauensache: 8 von 10 Männern gehen gar nicht in Karenz; nur 2 von 100 Männern gehen länger als 3 Monate und nur 1 von 100 Männern geht länger als 6 Monate in Väterkarenz (Quelle: Arbeiterkammer)
- Teilzeitarbeit: rund 50% der Frauen, aber nur 10 Prozent der Männer arbeiten in Teilzeit – oft wegen Kinderbetreuung (Quelle: Statistik Austria)
- Führungspositionen: Frauen sind in Vorstandsetagen noch deutlich unterrepräsentiert
- Gender Pay Gap: Frauen verdienen im Schnitt rund 18 Prozent weniger als Männer (unbereinigter Unterschied), in der Pension beträgt der Gender Pension Gap sogar 37,8 Prozent (Quelle: Bundeskanzleramt)
Es geht nicht nur um Geld…
Aber nicht nur die finanziellen Unterschiede sind enorm, sondern auch die emotionale Belastung und Mental Health, die oftmals übersehen oder sogar kleingeredet wird. So sind es nach wie vor Mütter, die den Familienalltag koordinieren, Geburtstage und Arzttermine im Kopf haben und wissen wo die Pflaster aufbewahrt werden und über welche Blumen sich die Oma am meisten freut. Die mentale Last umfasst das ständige Planen und Antizipieren von Bedürfnissen der gesamten Familie, was zu Stress, Angstzuständen und sogar Burnout führen kann.
Es wundert mich gar nicht, dass Chappell Roan unlängst in einem Interview auf dem Podcast Call Her Daddy meinte, viele ihrer Freunde, die Kinder haben, seien „in der Hölle“ und dass sie niemanden kenne, der glücklich ist und Kinder hat. Roan erklärte, dass sie selbst nicht sicher sei, ob sie Kinder haben möchte, und dass sie die Herausforderungen sieht, mit denen ihre Freunde als Eltern konfrontiert sind.
Diese Kommentare haben eine hitzige Debatte ausgelöst, auf beiden Seiten. Ich kann die Entrüstung gut nachvollziehen, allerdings geht es mir nicht darum, kinderlosen Frauen mit einem „Wie kann sie nur?“ zu verurteilen, sondern finde es wichtig und richtig, dass sie Mutterschaft als anstrengend wahrnehmen und diese auch unter diesem Vorzeichen diskutiert wird.
Denn wenn wir uns ehrlich sind: Die Überidealisierung der Mutterschaft in der Frauen ihre Erfüllung zu finden haben geht oftmals einher mit einer gleichzeitigen Abwertung von Frauen, die keine Kinder haben (Stichwort: crazy cat ladies) und wirft diesen Egoismus vor. Muttersein wird immer noch als die Urbestimmung aller Frauen angesehen und suggeriert, dass es der wichtigste Lebenszweck für weibliche Personen ist.
Entscheiden sich Frauen dafür, Kind(er) auf die Welt zu bringen, realisieren sie aber schnell, dass ihre Mutterschaft der Gesellschaft nicht so wertvoll ist, wie es im Vorfeld schien: das überlastete Gesundheitssystem macht es – vor allem in Wien – schwer, Termine bei kassenärtzlichen Gynäkolog:innen zu bekommen, eine 1:1 Betreuung durch eine Hebamme während der Geburt ist ebenfalls nicht Standard und muss privat bezahlt werden. Ist das Baby auf der Welt, realisiert man schnell, dass Krippenplätze rar sind und die Verteilung oft undurchsichtig abläuft. Etwas leichter dagegen ist es einen Kindergartenplatz zu bekommen, allerdings mit der Einschulung wartet eine neue Belastungsprobe, nämlich 14 Ferienwochen, die die freien Tage einer jeden Familie deutlich überstrapazieren (und da ist die jährliche Schnupfensaison noch gar nicht miteingerechnet).
Was ich als Mutter wirklich möchte
Ein feministischer Ansatz zum Thema Mutterschaft sollte sich nicht auf einen einzelnen Feiertag beschränken, sondern strukturelle Veränderungen fordern. Dazu gehören:
- Eine gerechte Verteilung von Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen
- Staatliche Unterstützung für Alleinerziehende und bessere Bezahlung in sozialen Berufen
- Die gesellschaftliche Anerkennung unterschiedlicher Familienmodelle jenseits der traditionellen Mutter-Vater-Kind-Norm
- Die Entlastung von Müttern durch familienfreundliche Arbeitszeitmodelle und eine bessere Kinderbetreuung
Statt eines romantisierten Mutterbildes sollte die gesellschaftliche Debatte Mutterschaft als eine von vielen möglichen Lebensentscheidungen betrachten, die nicht mit weiblicher Identität gleichgesetzt werden darf.
Weitere Quellen und Materialien:
- Bild Mutter und Kind von Xi Pa
- Buchrezension Evelyn Höllrigl Tschaikner, Mythos Mutterinstinkt
Instagram Evelyn Höllrigl Little Paper Plane
Buch Evelyn Höllrigl, Mythos Mutterinstinkt, Kösel Verlag, 2023