Work Hard & Get Rich?!
Wir blicken zurück auf eines der Sorority Highlights 2024. Beim Panel “Work Hard & Get Rich” hatten wir die Gelegenheit die beiden Expertinnen Marlene Engelhorn, Vermögensaktivistin und (Mit)gründerin der Initiativen “Guter Rat für Rückverteilung” und “Tax me now” sowie Barbara Blaha, Autorin und Gründerin des Momentum Instituts und Herausgeberin des Momentum Magazins zum Thema Vermögensverteilung zu sprechen.
In wenigen anderen Ländern ist Vermögen so ungleich aufgeteilt wie in Österreich. Konkrete Zahlen zur Vermögensverteilung gibt es zudem erst seit wenigen Jahren. Das reichste 1 % verfügt in Österreich über rund 40 % des gesamten Nettovermögens, während die ärmeren 50 % der österreichischen Haushalte gemeinsam gerade einmal 2,5 % besitzen.
Die Österreichische Zentralbank versucht im Auftrag der Europäischen Zentralbank das Vermögen österreichischen Bürger:innen im Auftrag der Europäischen Zentralbank zu erheben und steht dabei vor erheblichen Schwierigkeiten, denn das reichste 1% macht bei diesen Erhebungen schlicht nicht mit. Das bedeutet, das Vermögen der reichsten Menschen in Österreich basiert auf Hochrechnungen und ist daher nur ein Schätzwert.
Zwar gibt es Forschungen zu diesen Personengruppen und ihrem Vermögen, jedoch hat Österreich sich dazu entschlossen hier eine Undurchsichtigkeit einzuziehen. Forschende zu diesem Thema, wie beispielsweise von Sozialministerium und Nationalbank beauftragten Ökonomen dürfen über ihre Forschungsinhalte, Studien und Analysen nicht sprechen. Barbara Blaha sieht hier eine große Diskrepanz, zeigt der Umgang mit dem Spektrum auf der anderen Seite des Vermögens einen anderen Umgang. Wenn es um die Mindestsicherung geht schaut der Staat so Blaha seinen Bürger:innen „ins Bad, ob da nicht doch eine zweite Zahnbürste liegt“, um weniger Mindestsicherung auszahlen zu können.
Ungleich verteiltes Vermögen, ein österreichisches Problem?
Diese Schieflage ist die Konsequenz einer Steuerpolitik, die seit den 1970er Jahren vermögensbezogene Steuern sukzessive gesenkt oder gar ganz abgeschafft hat. Die Tatsache, dass es in Österreich anders als in den übrigen europäischen Ländern keine Erbschaftssteuer gibt, führt laut Blaha zu einem enormen Ungleichgesicht im Steuersystem.
Ungleichheiten basieren hier also auf politischen Entscheidungen.
Marlene Engelhorn beobachtet hier auch ein bedenkliches Näheverhältnis der reichsten 1% in Österreich zur Politik. So geschieht Einflussnahme vor allem durch Parteispenden Reicher an Parteien. Ein bekanntes, prominentes Beispiel ist Heidi Horten, die mit monatlichen Parteispenden mit 49.900 Euro im Monat damit noch knapp unterhalb der vom Rechnungshof gesetzten Obergrenze lag. Einflussnahme geschieht nicht nur über Geld, sondern auch über soziale Kategorien. Engelhorn verweist hierbei auf enge Netzwerke, in denen Reiche sich bewegen, empfehlen und innerhalb derer sie aufsteigen.
Barbara Blaha verweist in diesem Kontext auf eine „unternehmerische Macht“. So betont sie, dass Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen einen Rückhalt in der Politik genießen. Auf Kommunalebene kann das so aussehen, dass der Bürgermeister Steuervorteile hierfür vorsieht oder der Bundeskanzler mit Maßnahmen daraufsetzt, dass dieses Unternehmen nicht ins Ausland abwandert. Die enge Verbindung von Unternehmerischer Macht und Politik lässt sich nach jeder Wahl in Österreich beobachten. Fernsehmagazine und Zeitungen befragen dann große CEOs des Landes zur Wahl. Hinzu kommt die mediale Macht von Reichtum.
Österreich besitzt 14 Tageszeitungen, die in der Hand von zwölf sehr reichen Menschen, zwei Banken und der katholischen Kirche sind. (zum Vergleich: unser kleinerer Nachbar Schweiz hat 40 Tageszeitungen) Wenn es also um Medienvielfalt und Unabhängigkeit geht, so hat Österreich einen großen Aufholbedarf.
“Die Schieflage bei der Verteilung der Vermögen ist in Österreich enorm. Gemessen am privaten Nettovermögen besitzen die reichsten 5 Prozent der österreichischen Haushalte mit 55 Prozent mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens. Das ist der höchste Anteil unter den zwanzig Ländern der Eurozone und 12 Prozentpunkte mehr als der Eurozonen-Durchschnitt.”
Warum der Trickle-Down-Effekt ein Mythos ist
Trickle-Down-Effekt beschreibt die Überzeugung, dass der Wohlstand der Reichsten einer Gesellschaft nach und nach durch Konsum und Investitionen in die unteren Schichten der Gesellschaft durchsickert und so zu Wirtschaftswachstum führen würde, von dem dann alle profitieren. Barbara Blaha beschreibt die Überzeugung, dass der Wohlstand der Reichsten einer Gesellschaft nach und nach durch Konsum und Investitionen in die unteren Schichten der Gesellschaft durchrieseln und so zu Wirtschaftswachstum führen würde, von dem dann alle profitieren darauf hin, dass diese Annahme gut beforscht und mehrfach widerlegt wurde. Sie fußt auf der Vorstellung, dass reiche Menschen in irgendeiner Weise gute Menschen seien, die sich ihren Wohlstand verdient haben, weil er oder sie etwas ganz besonders gut kann oder außerordentliche Fähigkeiten besäße. Und es verschleiert die Tatsache, dass der Kern von Reichtum auf einem ungerechten System basiert, das politische Entscheidungen zur Basis hat.
Steuervorteile für Reiche sorgen sogar für den gegenteiligen Effekt. So hat der Ökonom Joseph Stiglitz herausgefunden, dass Menschen, die durch Steuervorteile über mehr Geld verfügen, das Geld nicht etwa dafür einsetzen weitere Arbeitsplätze zu schaffen oder die Demokratie zu verteidigen, sondern sie setzen es dazu ein, ihre eigenen Privilegien zu verteidigen und auszubauen. Also jedes Steuergeschenk an die Superreichen führt zu mehr ökonomischer Ungleichheit und führt dazu, dass der Abstand zwischen sehr reich und durchschnittlich oder arm noch größer wird.
Eine weitere Studie, die mit Mythen der Reichen aufräumt ist die Langzeitstudie der London School of Economics, die die Folgen von Steuersenkungen in 18 OECD-Ländern über einen Zeitraum von 50 Jahren untersucht hat. Das Ergebnis ist wenig überraschend aber klar: Vermögensbesteuerung gefährdet weder das Wirtschaftswachstum noch hat sie wirtschaftliche Nachteile für Reiche.
Wollen Reiche einfach keine Steuern zahlen?
Man könnte den Eindruck bekommen, reiche Menschen möchten keine Steuern zahlen. Marlene Engelhorn sieht ein großes Problem darin, dass reiche Menschen kaum Steuern zahlen müssen. Als Millionenerbin und Vermögensaktivistin als eine mahnende Stimme für Steuergerechtigkeit. Sie tritt mit ihren Forderungen nach gerechterer Vermögensverteilung unermüdlich in die Öffentlichkeit auf und macht auf die Notwendigkeit von Erbschaftssteuern aufmerksam. Steuern zu zahlen bedeutet laut Engelhorn auch demokratische Teilhabe, wird über Steuern entschieden wie man Geld so ausgibt, dass es uns allen guttut. Reiche Menschen haben sich in ihren Augen von dieser Idee selbst isoliert und entsolidarisiert. Vermögende haben den großen Teil ihres Reichtums nicht etwa durch Arbeit, sondern durch Erbschaft gesichert. Seit 2008 gibt es in Österreich keine Erbschaftssteuer und keine Schenkungssteuer. Die Folge: von € 400 Milliarden, die jährlich vererbt werden, schaffen es nur 2% (ca. € 8 Milliarden) in die Staatskassen. Marlene findet: eine lächerlich geringe Summe für etwas, das man ohne jegliche Arbeit zu leisten erhält.
„Vermögenswerte werden dynastisch innerhalb derselben Familie weitergegeben, das ist das Spiel eines feudalen Systems, eines Geldabendsystems, und nicht in Einklang mit den demokratischen Werten. Viele verstehen aber gar nicht, dass es etwas mit Demokratie zu tun hat.“ – Marlene Engelhorn.
Barbara Blaha beobachtet mit dem Momentum-Institut eine ungerechte Steuerlast. Ist ein klassischer Zwei-Personen-Haushalt mit Durchschnittsverdiener:innen mit 42% Steuern belastet, so zahlt ein Superreicher im Schnitt nur 29% Steuern. Bei der Frage um die Besteuerung von Vermögen tun mir uns unter anderem auch schwer, weil wir Schwierigkeiten damit haben uns große Zahlen wie Milliardenbeträge vorzustellen.
„Eine Kindergärtnerin, die von ihrem Durchschnittseinkommen 20% als Ersparnis zur Seite legt, müsste 750.000 Jahre lang sparen, um so viel Vermögen zu haben wie Mark Mateschitz.“ – Barbara Blaha
Vermögen und geschlechtsspezifische Armut
Betrachtet man ungerechte Vermögensverteilung, dann muss man auch geschlechtsspezifische Armut in den Blick nehmen. In Österreich sind vor allem Frauen*, alleinerziehende Frauen und Frauen im Alter betroffen. Es gibt durchaus Modelle, die diese Armutsform bekämpfen. Barbara Blaha plädiert in dem Zusammenhang dafür das Patriarchat abzuschaffen. Denn das Problem beginnt mit der Frage, welche Arbeit wie viel wert ist. Und Frauenarbeit ist einen Scheißdreck wert. Je nachdem, ob mehr Frauen oder mehr Männer in einer Branche sind wird diese ab- oder aufgewertet. Es sei kein Naturgesetz, dass ein Automechaniker im ersten Jahr 450 Euro brutto mehr verdient als eine Altenpflegerin im ersten Dienstjahr, so Blaha.
Selbst wenn Frauen, den (gut gemeinten) Vorschlag doch einfach in männerdominierte gut bezahlte Branchen zu wechseln beherzigen, bleibt das Problem der schlechteren Bezahlung bestehen. Studien zeigen nämlich, wenn der Frauenanteil steigt, sinkt das Prestige, und damit auch das Gehalt. Das kann man sich an zahlreichen historischen Beispielen gut anschauen, und zwar in beide Richtungen. Früher gab es Branchen, die waren frauendominiert und schlecht bezahlt. Programmiererin ist so ein Beruf. Erst als Männer diese Branche für sich entdeckt haben stiegen die Gehälter in der Programmierung. Umgekehrt ist der Effekt genau gegenteilig.
Vor 100 Jahren war der Lehrberuf, neben dem des Bürgermeisters und des Priesters einer der prestigeträchtigsten Berufe. Heute darf man den Lehrerinnen alles ausrichten. Es hat damit zu tun, dass 75% der Leute in dieser Branche Frauen sind. Das Prestige ist unten, die Gehälter sind gesunken.
Man muss also über Wertigkeit von Arbeit nachdenken und wir müssen anfangen, die Arbeit am Menschen deutlich besser zu bezahlen als die Arbeit mit Maschinen. Hinzu kommt noch der Aspekt von Care Arbeit. Wir wissen aus allen Studien, dass Frauen nicht Teilzeit arbeiten, sondern sie arbeiten deutlich mehr als Männer, werden für diese Arbeit jedoch nicht bezahlt.
Die systemischen Lösungen, die Frauen angeboten werden beinhalten keine Wahlfreiheiten. Eine Frau außerhalb Wiens kann es sich nicht aussuchen, ob sie arbeitet und ihr Kind in eine Tagesbetreuung gibt oder ihre Stunden reduziert, weil es schlichtweg keine ausreichenden Betreuungsangebote gibt. Ein ähnliches Problem sieht Blaha beim Thema Pflege. Von 10 Menschen, die Pflegegeld beziehen, werden 8 privat gepflegt und das von den Töchtern, Schwiegertöchtern, Ehefrauen in diesem Land. Es gäbe politische Lösungen. Das wir diese nicht umsetzen ist eine politische Entscheidung und es hat ganz viel damit zu tun, dass wir mit politischen Kräften konfrontiert sind, die davon profitieren, wenn man Frauen klein und ökonomisch abhängig hält.
„ Sie haben zwei Kinder bekommen und haben den Schwiegervater gepflegt? Schlecht! Das heißt nämlich unter der Mindestpension. Das sind so die systemischen Faktoren.“ – Barbara Blaha
Alice Walker hat mal gesagt, die häufigste Methode, wie Menschen ihre Macht aufgeben, ist zu glauben, sie hätten gar keine. Was uns ermutigen sollte ist die Tatsache, dass sozialen Bewegungen, historisch den Grundstein für Veränderungen gelegt haben. Man braucht 3,5% der Bevölkerung, um Veränderungen zu erzielen. Und alle sozialen Errungenschaften kamen immer von unten. Daher ist es Marlene Engelhorn so wichtig beim Kampf um Vermögensgerechtigkeit den Fokus von sich in die breitere Fläche zu verlegen. Sie ist überzeugt davon, dass nur ein breiter Diskurs Lösungen bringen kann.
Über Geld spricht man nicht
In Österreich gedeiht Vermögenszuwachs zunehmend im Dunkeln. Und das zeigt sich schon beim Einkommen. Wir alle wissen nicht, was unsere Kollegen verdienen. Wir haben alle gelernt, über Geld spricht man nicht, so Blaha. Im Schweigen gedeihen auch solche absurden Mythen, wie zum Beispiel, Frauen seien selber schuld, wenn sie weniger verdienen. Die Empirie zeigt sehr deutlich, dass das Problem eben nicht bei Frauen liegt oder sie nicht um mehr Geld fragen würden, sie bekommen es schlichtweg einfach weniger oft. Bei Frauen ist es nur jede 20. Forderung nach einer Gehaltserhöhung, die erfüllt wird, bei Männern jede dritte. Zudem wird Frauen das Fragen nach einer Gehaltserhöhung negativ ausgelegt. Männer gelten als ehrgeizig und ambitioniert, wenn die Frau danach fragt, ist es zumindest mit einem negativen Beigeschmack behaftet, im schlimmsten Fall gilt sie als karrieregeil. Eine radikale Lohntrasparenz wäre ein wesentlicher Schritt bei der Bekämpfung bei geschlechtsspezifischen Gehaltsunterschieden.
Große Unternehmen sind in Österreich zwar verpflichtet Einkommens-Transparenz-Berichte zu führen. Barbara Blaha spricht in dem Zusammenhand von Augenauswischerei, denn diese Berichte sind zum einem anonymisiert und blieben in Schubladen.
„Man kann dafür sorgen, dass die Gleichberechtigung, wie man sich wünscht, durch Regulierung hergestellt wird, weil die fällt nicht vom Himmel, genauso wie die Vermögensverteilung nicht vom Himmel fällt, sondern das Ergebnis eines Systems, das darauf ausgerichtet ist, Ungleichheit herzustellen, um zu verschlimmern.“ – Marlene Engelhorn
Bildungsversprechen von gestern
Das Österreichische Versprechen von sozialem Aufstieg durch Bildung geht sich für viele Menschen nicht mehr aus. Bildung ist extrem wichtig, jedoch die Auflösung sozialer Ungleichheit nicht erheblich. Barbara Blaha sieht im Bildungssystem viel mehr Zementieren von Irrglauben Rund um Vermögen. Am Ende einer Schulkarriere rechtfertigen wir durch unterschiedliche Bildungsabschlüsse den sozialen Status und damit bildet das Schulsystem auch wichtigste Legitimationsgrundlage für ungerechte Löhne. Folgt man der Argumentation, so steigt mit dem Bildungsgrad die Chance nach einem gut bezahlten Job.
Noch nie haben so viele Frauen höhere Bildungsabschlüsse erlangt wie heute. Das ist wirklich historisch bedeutsam und schlägt sich ökonomisch trotzdem nicht nieder. Das liege in Blahas Augen nicht am Bildungssystem, sondern an der gesellschaftlichen Abwertung von Frauen. Ähnlich wie bei den Berufen sinke mit ihnen auch der Wert des Bildungsgrats. Wir haben das Bildungssystem für Frauen geöffnet und gleichzeitig den Arbeitsmarkt flexibilisiert. Und mit Arbeitsschutzgesetzen, die gefallen sind, mit den Deregulierungsmaßnahmen, die wir getroffen haben finden sich Menschen plötzlich anderen Lohnarbeitsverhältnissen wieder. Jede dritte beschäftige Person ist heute atypisch beschäftigt ist, damit nicht voll geschützt, nicht so gut bezahlt und vor allem nicht durchgehend bis zur Pension. Diese Veränderungen sorgen auch für Unterschiede in den ökonomischen Möglichkeiten. Es ist kein Zufall, dass es früher möglich war mit einem Vollzeiteinkommen eine ganze Familie zu ernähren. Heute reicht ein Vollzeiteinkommen nicht mehr aus und das liege daran, dass wir den Arbeitsmarkt so gestalten lassen.
Ihr alle werdet schlechter bezahlt als der Mann neben euch im Büro
Was uns Hoffnung geben kann
Am Ende kommt es auf die Zivilgesellschaft an. Wir haben die Macht soziale Bewegungen zu formieren und durch sie können wir Veränderungen herbeiführen. Allys wie Marlene Engelhorn zu haben ist in dieser Frage ein wichtiger Hebel, die entscheidenden Mittel etwas zu verändern liegen im Kollektiv. 3,5 % reichen aus, um eine langfristige gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen und sollten uns ermutigen aktiv zu werden.
Info und Quellen
Foto © Martin Pabis
Initiative “Taxmenow”
Bürger:innen Initiative “Guter Rat für Rückverteilung”
Website Momentum Institut
Momentum Institut Psst … wir müssen reden!
Arbeiterkammer Österreichs Vermögensverteilung
Der Standard Nationalbank-Experten plädieren für Vermögens- und Erbschaftssteuer
Momentum Institut Österreich hat höchste Vermögensungleichheit im Euroraum