Der Fall Lizzo

 

Der Fall Lizzo und was er uns über Arbeitsverhältnisse lehrt

 

 

Lizzo ist nicht nur als Musikstar international gefeiert, sondern auch als Aktivistin zur Ikone der Self-Love- und Body-Positivity-Bewegung geworden. Mehr als jede:r andere Künstler:in steht sie für Self-Empowerment, sexuelle Selbstbestimmung und Feminismus. Fans fragen sich aber jetzt:
Wie real ist Lizzo? Ist ihr Image eine Maskerade, ihre Botschaften hohl?



Doch was ist passiert?

Anfang August haben drei ihrer ehemaligen Tänzerinnen ihre Arbeitserfahrungen mit Lizzo öffentlich gemacht und vor einem Gericht in Los Angeles Klage gegen die Sängerin erhoben. Die Anschuldigungen wiegen schwer, dokumentieren auf 44 Seiten zahlreiche Vergehen, darunter “sexuelle, religiöse und rassistische Belästigung, Nötigung, Diskriminierung aufgrund einer Behinderung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung”. Die Sängerin soll zudem ein Arbeitsklima geschaffen haben, das weitere Kolleginnen als “extrem toxisch und feindselig” beschreiben. Die Regisseurin für Lizzos Netflix Doku, Sophia Nahil Allison, soll die Zusammenarbeit deswegen nach nur zwei Wochen beendet haben. Zahlreiche Angestellte haben entweder gekündigt oder sollen unter wüsten Beschimpfungen gekündigt worden sein. Mittlerweile haben sich sechs weitere Frauen der Zivilklage angeschlossen und die Anschuldigungen gegen Lizzo haben dazu geführt, dass sie aus dem Rennen um die kommende Super Bowl Halftime Show genommen wurde und scheinbar neben vielen Fans auch weitere Angebote verlieren wird.

 



Vom Opfer zur Täterin?

Lizzo beschrieb in zahlreichen Interviews, wie sehr sie ihr gesamtes Leben unter Mobbing und Bodyshaming gelitten hat. Als Frau, die von Mehrfachdiskriminierungen betroffen ist, war sie als Künstlerin umso glaubwürdiger in ihren Botschaften. Daher wiegen die Anschuldigungen doppelt schwer. Sie stehen zum Widerspruch zu allem, wofür Lizzo ein Sinnbild wurde. Und hier liegt auch die ganze Tragik.
Zum Verlust eines Musikstars mischt sich ein Gefühl des Betrugs. Das Letzte, was wir von Lizzo gehört haben, war ein Statement ohne Mitgefühl oder den Versuch, zuzuhören oder sich gar für den entstandenen Schmerz zu entschuldigen.

 

Was also bleibt?

Es bleibt ganz sicher der Eindruck, dass eine Feministin an der Spitze kein Garant für ein gesundes Arbeitsklima scheint. Statistisch gesehen sind etwa 3,5% aller Beschäftigten in ihrem Berufsleben Ziel eines Mobbing-Angriffs. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass Frauen öfter Opfer einer toxischen Arbeitsplatzkultur sind als Männer. (Frauen haben im Vergleich zu Männern ein um 75% höheres Mobbing-Risiko.) Hoher Druck, der Anspruch nur die besten Resultate zu erzielen, gepaart mit der Furcht vor einem Abstieg, sind Faktoren, die dazu führen können, dass eine Führungskraft toxische Führungsstile entwickelt.
Wenn zu hohen Anforderungen auch ungünstige Rahmenbedingungen wie unklare Kompetenzverteilung, mangelnde Arbeitsorganisation und strenge Hierarchien hinzukommen, ist der ideale Nährboden für ein toxisches Arbeitsklima geschaffen. Dieses System agiert losgelöst vom Individuum. Der Fall Lizzo macht aber deutlich, dass auch diskriminierte Personen in der Logik des Patriachats handeln können.

 

Mobbing ein Tabu

Bis zu 300.000 Menschen in Österreich sind an ihrem Arbeitsplatz von Mobbing betroffen. Über die Hälfte davon sind Frauen. Und doch ist es nach wie vor ein Tabu für Frauen, über Mobbing vor allem durch andere Frauen am Arbeitsplatz zu sprechen. In 90% der Fälle findet Mobbing entweder von oben nach unten oder auf derselben Hierarchieebene statt und die Folgen für Betroffene sind verheerend. Es kommt zu Leistungs-/Denkblockaden, Selbstzweifel, Versagens- und Schuldgefühlen, Angstzuständen, Isolation, verringertem Selbstwertgefühl, Depressivität, körperlichen Beschwerden wie Schlafstörungen und Magen- und Darmerkrankungen uvm.

Solidarität mit Betroffenen ist ein wesentlicher Schlüssel aus dieser Gewaltspirale. Wir müssen sehen und erkennen, was passiert und benennen. Das Richtige, was die betroffenen Frauen im Fall Lizzo getan haben, ist darüber zu sprechen. Und wir sollten ihnen zuhören.

 

 

Geschrieben von Marta Suzama 

 

 

Bist du von Gewalt am Arbeitsplatz betroffen?

Hier erhältst du kostenlos Hilfe:

Frauenhelpline „Halt der Gewalt“ – 0800 222 555
Mobbing Hilfsberatung  0800 700 144

Mobbing und Konfliktberatung  0732 7610-3641
Wiener Initiative gegen Mobbing  0699 127 21021

Zentrum für Konflikt- und Mobbingberatung: Work & People

 

 

Quellen und Infos:

Beratung: Wiener Initiative gegen Mobbing

Website: Mobbingtelefon

Hochschulschrift: Mobbingerfahrungen von österreichischen ArbeitnehmerInnen

Arbeiterkammer: Infopool Mobbing am Arbeitsplatz

Wissenschaftliche Erhebung: Mobbing am Arbeitsplatz 

Mobbing Report: Europäische Erhebung zur Lebensqualität

Variety: Sophia Nahli Allison about Lizzo