THIS IS HOW SHE DID IT: CEREN GÜL

CEREN GÜL | Foto: Aslan Kudrnofsky

 

Name:
Ceren Gül
Alter:
31
Aktuelle Tätigkeit:
Assistentin der Geschäftsführung

Ich bin Sorority-Mitglied seit 2019.

Auf die Sorority bin ich aufmerksam geworden durch…
meine Schwester, die mir die Stellenausschreibung zur Projektkoordinatorin weitergeleitet hatte.

1. Welche Person hat dich in deinem Leben am meisten feministisch geprägt?

Ich war eigentlich feministisch, seit ich Erinnerungen an mich selbst habe. Vermutlich trägt meine Mutter einen Großteil der Verantwortung dafür. Sie arbeitet seit 1996 Vollzeit im Handel, hat drei Töchter großgezogen und dabei sowohl Haushalt, als auch Familienmanagement selbst erledigt. Ich bin die Älteste, die Mittlere macht gerade ihren PHD in Gender Studies an der Universität Wien, und die Jüngste maturiert dieses Jahr.

Tatsächlich bin ich auch mit weiblichen Vorbildern aus dem Fernsehen aufgewachsen. Da waren zum einen Sailor Moon und zum anderen Charmed, und als ich Harry Potter entdeckt hatte, Hermine Granger (weil, let’s be honest, ohne sie wäre er 1000 mal gescheitert). Sie hat ja gefühlt das ganze Brainwork für ihn erledigt. Ganz gut kann ich mich auch daran erinnern, dass mich Ungerechtigkeit und die Abwesenheit von Logik immer schon sehr aufgeregt haben.

2. Was waren wichtige Stationen in deiner beruflichen Laufbahn?

Mein erstes Ferialpraktikum bei Billa war sehr entscheidend für mich. Der erste Monat hatte sich wie eine Ewigkeit angefühlt, ich durfte teilweise keine Pause bis 15:00h machen, weil gerade ein wichtiger Chef unterwegs war, und allgemein waren (damals, vor 15 Jahren) die Bedingungen so schlecht, dass ich mich sehr schnell entschieden haben, doch weiter in die Schule zu gehen. Derzeit arbeite ich für das Büro für Interaktion als Assistentin der Geschäftsführung. Es ist mein erster Job mit einem Chef, der die Arbeit nicht der Arbeit wegen, sondern wegen den Menschen macht: Mit 32h/Woche bei Vollzeitgehalt, Full Time Feminismus und viel Spaß an der Sache.

3. Was bewegt dich?

Die Rolle der Mutter in der österreichischen Gesellschaft. Ich bin im Jahr 2018 Mutter geworden, und bin seit Ende 2020 alleinerziehend. Seitdem sehe ich auch, wie mit Eltern, und speziell mit Müttern in Österreich umgegangen wird und finde, dass das einfach unwürdig ist. Das ist natürlich kein Wunder mit einer Frauenministerin, die sich selbst keine Feministin nennen möchte, und die Benachteiligung von Frauen mit Migrationsgeschichte gerne in Kauf nimmt, um ihren Rassismus vollends ausleben zu können. Österreichs Familien- und Gesellschaftssystem fußt auf Vater-Mutter-Kind-Familien. Es ist also ein klassisch patriarchales Bild mit Vollzeit arbeitendem Familienvater und Vollzeithausfrau. Mich ärgert es unheimlich, dass alleinerziehenden Eltern zugemutet wird, sowohl 100% der Betreuung, als auch 100% des Einkommens alleine zu stemmen. Verschärft wird die Situation durch Maßnahmen wie dem Familienbonus Plus, der sämtliche andere Unterstützungen aufgehoben hat. Es ist längst Zeit eine Kindergrundsicherung in Österreich einzuführen, um jedem Kind die selben Chancen zu bieten. Zudem fehlt es hinten und vorne an Betreuungsmöglichkeiten. In Wien ist es noch relativ angenehm (und dennoch ausbaufähig), sobald man jedoch 10 Minuten aus der Stadt hinausfährt, gibt es keine Möglichkeiten einer 07:00-17:00h- Betreuung für Kleinkinder. Gleichzeitig haben wir einen Arbeitsminister, der fordert, Frauen mögen doch bitte nur ein paar Stunden aufstocken, um Österreich zu retten. I hate to break it to you: Wir sind sowieso durch Haushalt und Familienmanagement mehrfach belastet, insbesondere, wenn wir alleine erziehen. Daher: Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich für alle und eine Kindergrundsicherung!

4. Welche Verbesserung wünschst du dir, wenn du in die Zukunft blickst?

Ich wünsche mir einen grundlegenden Wandel in der Gesellschaft. Ich wünsche mir weniger Frauenmorde, vor allem die gesellschaftliche Einsicht, dass Feminismus keine Spaltung bedeutet, sondern eine Wandlung der patriarchalen Strukturen, die durchaus auch für Männer benachteiligend oder diskriminierend sein können. Ich wünsche mir ein Aus toxischer Männlichkeit, ich wünsche mir mehr Aufteilung der unbezahlten Care Arbeit, ich wünsche mir, dass die festsitzenden rassistischen Strukturen aufgebrochen werden. Ich wünsche mir ganz dringend einen Absprung vom Hyperkapitalismus, der nur zu Gunsten von einigen Wenigen unsere Welt auffrisst. In Wahrheit wünsche ich mir ein Österreich, das sozial ist und in dem Gerechtigkeit groß geschrieben wird. Ich wünsche mir mehr Menschlichkeit.

5. Vervollständige den Satz: Die Sorority ist für mich…

ganz eindeutig ein Safe Space. Die Sorority war für mich eine Möglichkeit, aus meinem damals unglücklichen Zuhause herauszukommen, zu sehen, wie es anderen Frauen geht, einen Beitrag bei der Arbeit für Feminismus in Österreich zu leisten, und dabei Zeit für mich selbst in Anspruch zu nehmen. Ich würde sie um nichts in der Welt missen wollen.

6. Wie sieht dein gelebter Feminismus aus?

Seit Anfang Jänner arbeite ich nicht mehr als Projektkoordinatorin bei der Sorority. Den Posten habe ich weitergegeben an meine wunderbare Sister Julia Maurer. Bis dahin war dies also meine Arbeit bei der Sorority. Wie es jetzt weitergehen soll, weiß ich noch nicht. Geplant ist es erstmal ein Jahr für noch ausstehende Uni Abschlüsse aufzuwenden, und danach wieder ein aktiver Teil der Sorority zu werden. Aber wer weiß, was sich bis dahin ergibt?