Sorority X Die Fruchtbar Talk mit Christina Fadler

 

Sorority X Die Fruchtbar 

 

Talk mit Christina Fadler

 

 

Reproduktionsrechte sind Menschenrechte und ein wichtiger Bestandteil der Frauengesundheit. Wie lässt sich einem unerfüllten Kinderwunsch begegnen? Wir haben mit Christina Fadler, ihres Zeichens Obfrau des Vereins “Die Fruchtbar” über die Situation für betroffene Frauen in Österreich gesprochen.

 

Wie ist es zur Gründung von die Fruchtbar gekommen?

Aus eigener Betroffenheit heraus. Anfang 2019, mit 35 war ich zum ersten Mal mit dem Wunsch ein Kind zu bekommen in einem Kinderwunschzentrum. Für mich ein Schlüsselmoment, denn ein bisheriges Zweisamkeitsthema, das vielleicht nur im Schlafzimmer besprochen wird, bekommt mit diesem Schritt eine größere Bühne mit mehreren Menschen und vielen medizinischen Details.
Ein Jahr lang waren wir in diesem Rad voller Schlagworte wie Eileiterröntgen, Inseminationen, In-Vitro-Fertilisation (IVF). Ich war enttäuscht über das medizinische System. Ich habe mich oft allein gelassen und ratlos gefühlt.

 

 

„Kaum jemand kennt sich abseits des Kinderwunschzentrums mit diesem Thema aus.
In der Arbeit tauscht man sich über Zahn- oder Hautärzte aus, aber den Lieblingskinderwunscharzt gibt es als Thema in diesem Umfeld nicht.“ – Christina Fadler

 

Es fehlt die Stimme von Patientinnen, das hat mich 2021 zur Gründung des Vereins gebracht. Begonnen habe ich aber mit einer Selbsthilfegruppe. Es ist ein Thema, das alle Frauen irgendwann mal betreffen wird, wenn nicht persönlich, dann über den Bekanntenkreis. Es herrscht viel Scham zum Thema. Ich wollte die Isolation aufbrechen und Support schaffen.

 


Unerfüllter Kinderwunsch ist belastend. Was sind die größten (systemischen) Belastungen?

Frauen sind vielen emotionalen Belastungen ausgesetzt und stehen enorm unter Druck. Der kommt sogar von den Ärzt:innen selbst. Hat man die magische Grenze von 35 Jahren überschritten, gilt es möglichst schnell schwanger zu werden. Ich selbst hatte das Gefühl, nur auf meine Gebärmutter reduziert zu sein. Auch die Botschaft, du musst alles für dieses gewünschte Kind tun, empfand ich als Belastung. Zudem passiert sehr vieles gleichzeitig und das Medizinsystem ist dahingehend nicht immer Patientinnen fokussiert.
Belastend können auch die Kosten sein, die mit den Behandlungen in Kinderwunschkliniken einhergehen. Hinzukommen Arztbesuche und Zusatzleistungen zur Vordiagnostik.

 

Es sind viele Mythen und wenig Fakten im Umlauf. Auf welche Mythen stößt ihr immer wieder?  

Stress verursacht Kinderlosigkeit. „Entspannt euch“ hilft dem Paaren nicht.
Man erhält viele Informationen, ohne informiert zu sein. Es braucht eine gute Einordnung, um eine gute Entscheidung für sich treffen zu können. Unerfüllter Kinderwunsch kann wahnsinnig belastend für die Partnerschaft sein. Wenn es da nicht funktioniert, dann projiziert sich viel auf den weiblichen Körper. Der Start ist schon mit Druck verbunden, zudem hat man wenig Zeit. Wenn am Spermiogramm etwas nicht passt, ergibt sich ein Weg für ein IVF, wenn an der Gebärmutter etwas nicht passt, dann ist das eher eine Blackbox.

IVF – Die In-Vitro-Fertilisation (IVF) ist eine Befruchtung, die in einem Reagenzglas durchgeführt wird.

 

Wie lässt sich dem begegnen?

Es sind viele individuelle Geschichten. Uns ist es wichtig auch das Strukturelle in den Blick zu nehmen. Wir unterstützen die Bürgerinneninitiative “Zukunft Kinder! – für eine selbstbestimmte Familienplanung”- in ihren politischen Forderungen. Eine finanzielle Unterstützung ist über den IVF Font möglich, allerdings nur für Paare und bis zu einer Altersgrenze von 40 Jahren, mit medizinischen Einschränkungen (wenn Krankheitsbilder wie nur ein Eileiter, PCOS (Polyzystisches Ovarialsyndrom oder Endometriose vorliegen). Die Altersgrenze von 40 Jahren ist dabei künstlich gesetzt und medizinisch nicht begründbar. Wir würden uns wünschen, diese auf 42 Jahre anzuheben, auch die Bedingtheit der Krankheitsbilder sehen wir kritisch.



Was passiert beim „Social Freezing“?

Social Freezing basiert auf der Idee, den Kinderwunsch nicht aus medizinischen Gründen, sondern aus sozialen auf später zu verschieben und die Eizellen einzufrieren. Dieses Verfahren ist kostspieliger in Österreich nur in medizinischen Ausnahmefällen erlaubt und wird daher auch nicht gefördert. Social Freezing gibt Personen in der Familienplanung mehr Freiheiten, aber auch sollte man im Blick behalten, dass eine Eizellentnahme vor dem 35 Lebensjahr die größten Erfolgschancen verspricht. Wir finden dies grundsätzlich wichtig, weil Frauen immer die freie Wahl haben sollten.

 

Was passiert genau beim Social Freezing?

Man versucht möglichst viele Eizellen 10-14 zusammenzubringen. Das ermöglicht die Einspritzung eines follikelstimulierenden Hormons, die zu Beginn des Zyklus stattfindet. 10-14 Tage wird über Ultraschall beobachtet, ob genügend Eizellen da sind und dann entnommen und eingefroren.
Auch hier sind Kosten ein zusätzlicher Faktor, denn es kann sein, dass mehrere Versuche nötig sind, auch die Aufbewahrung kostet Geld und muss durch das geltende Verbot im Ausland stattfinden. Hinzu kommen dann Kosten für die Befruchtung.

 

Ist das Recht auf Reproduktion ein Privileg?

Eine selbstbestimmte Kinderplanung ist wichtig. Die Freiheit entscheiden zu können und Zugang zu reproduktiven Verfahren ist aus unserer Sicht für alle Gebärdenden wünschenswert. Die Debatte ist in jedem Fall privilegiert. Der WHO Bericht zur Fertilität zeigt, dass das Thema ganz oben ist, auch weil über Fruchtbarkeit Gewalt und Unterdrückung passieren.

Der Gesetzgeber will zwar, dass Frauen mehr Kinder bekommen, ermöglicht aber keine Vorsorge im Bereich der reproduktiven Gesundheit.
Wir sehen aber auch, dass es abseits der Kosten zahlreiche Hürden gibt. Sei es für alleinstehende oder queere Personen, die zusätzlich auf dem Weg zum Kinderwunsch Kosten für notarielle Beglaubigen, Sperma oder Eizellenspende tragen müssen. Alleinstehende Frauen können sich ihren Kinderwunsch derzeit nur im Ausland erfüllen – die künstliche Befruchtung ist für sie verboten. Für viele Personen ist es insgesamt ein langer Leidensweg und kann wahnsinnig belastend sein. Es ist immer ein Hoffen, Bangen, Warten, Testen…

 

Gibt es noch etwas, dass du Frauen als Rat mitgeben würdest?

Reproduktion ist ein Thema, über das wenig gesprochen wird. Frauen müssen für sich selbst einstehen im Prozess. Wichtig ist es, sich medizinisch zu informieren, um Entscheidungen besser treffen zu können. Viele Frauen verbringen Jahre damit, zum Gynäkologen zu gehen und zu hören, dass eh alles passt, aber werden zur Reproduktivität nicht beraten. Wir würden uns seitens der Medizin eine breitere Vorsorge wünschen. Beispielsweise haben Frauen mit Endometriose im Schnitt 8 Jahre voller Leid bis zur Diagnose. Frauen werden erst angeschaut, wenn sie ein Kind haben möchten und nicht schon vorher. Oft werden die Hormone nicht genau untersucht, es fehlt da auch an Spezialisierung.

 

Wie lässt sich an Optionen heranführen und wann?

Es muss viel mehr über das Thema  gesprochen werden. Es betrifft sehr viele Frauen.
Wir verstehen aber auch, zusätzlich zur Verhütung, kommt bei jungen Frauen vermehrt reproduktive Vorsorge hinzu. Eine umfassende Aufklärung ist die Basis für ein selbstbestimmtes Entscheiden und Leben.

 

 

 

 

Quellen und Infos:

Verein Die Fruchtbar
Blog „Und, willst du mal Kinder haben?“
Podcast Ungewollt kinderlos: “Für viele Paare ist das die schlimmste Krise”
Parlamentarische Bürgerinitiative “Zukunft Kinder! – für eine selbstbestimmte Familienplanung”