Riot don't diet

Buchrezension: Riot, Don’t Diet! Aufstand der widerspenstigen Körper [Elisabeth Lechner]

Mir war durchaus bewusst, dass die Schönheitsindustrie ein Schein ist und uns durchgehend unrealistische, nie erreichbare Ideale verkauft. Wie tief die Wurzeln all dessen liegen, war mir jedoch nicht bewusst. Die Kontrolle unserer Körper, vor allem der weiblichen* Körper, haben wir so sehr in unserem Alltag verinnerlicht, dass die Problematik dessen niemandem mehr auffällt. Es sei denn, man sieht genauer hin. So wie Elisabeth Lechner. Und genau deswegen ist dieses Buch so wichtig.

 

Riot don't diet

Ich habe das Buch „Riot, Don’t Diet“ voller Vorfreude erhalten und wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil. Ich wurde um einiges bereichert!

Das Buch handelt von den Diskriminierungen unserer Körper basierend auf Gewicht, Hautfarbe, Haare, Sexualität, Behinderung sowie Alter, die tagtäglich in unserer Gesellschaft stattfinden. Sogenannte „hässliche“ Menschen werden sowohl ökonomisch als auch gesellschaftlich benachteiligt, zum Beispiel im Berufsleben oder Gesundheitswesen. Wir bewerten einander aufgrund unseres Aussehens, nicht aber aufgrund unserer Kompetenzen. Aber (Zitat) „Kompetenz steckt nicht in den Haaren, sie kommt aus Herz und Hirn“.

Wie konnte es nur soweit kommen?

Schönheit – ein patriarchales-kapitalistisches Konstrukt, welches erfolgreich in unsere Leistungsgesellschaft eingebaut ist, und wie die „perfekte“ Frau*, in diesem System niemals gänzlich erreicht sein kann. Und das Unerreichbare ist nun mal das, was den Kapitalismus antreibt. In Lechners Buch lesen wir über die Strategie der Schönheitsindustrie, immer neue Makel an unseren Körpern zu finden, um uns wiederum neue Produkte zu verkaufen und damit Profit zu machen. Dabei stellen weiße, fitte junge Menschen ohne Behinderung unsere Schönheitsnorm da. Zudem verknüpfen wir hauptsächlich Männer* mit dieser Norm. Frauen* werden immerzu bemängelt, bewertet und objektifiziert. Ich glaube, wir können alle ein Lied davon singen.

Dabei betont Lechner, dass die Forderung der Body-Positivity-Bewegung, nämlich dass alle Körper als „schön“ dargestellt werden sollen, das Problem allein nicht lösen wird. Unser Leid kommt davon, nur durch die eigene Schönheit definiert zu werden. Dasselbe gilt auch für all die „self-love“ Beteuerungen, wie zum Beispiel seinen eigenen Körper lieben zu lernen mit all seinen Fehlern und Schwächen. Elisabeth Lechner bezweifelt in ihrem Buch, dass Widerstand auf individueller Ebene für langfristige Veränderung nicht genug ist, da es das System ist, welches unsere Gefühle verletzt. Warum umlernen und sich an ein System anpassen, dass strukturiert Menschen demütigt und ausgrenzt?

Weiterhin führt uns Lechners Buch vor Augen, wie wir alle die Körper unserer Mitmenschen im Alltag diskriminieren. Beispielsweise setzten wir dick sein mit persönlichem Versagen gleich, obwohl (Zitat) „Gesundheit wesentlich komplexer ist als eine Zahl auf der Waage“. Menschen mit Behinderung werden oft als das Problem dargestellt, wenngleich es unsere Betrachtungsweise ist, die Probleme schafft. Wir fühlen uns tolerant und divers, wenn wir eine BiPoc (Black, Indigenous, People of Colour) Person in unserem Team haben, obwohl die meisten Hauttöne noch immer nicht in unserer Gesellschaft anerkannt sind. Doch Vielfalt ist kein Trend, sondern die Lebensrealität von Menschen. Jeden Tag. Weiße cis Männer stellen eben nicht die unausgesprochene Norm unserer Gesellschaft da, nach der sich gerade alles richtet. Das ist schlicht unrealistisch und der größte, patriarchale Bullshit. Minderheiten werden in unserer Gesellschaft unsichtbar gemacht, und diese Unsichtbarkeit bedeutet eben in den meisten Fällen nicht verstanden oder gar akzeptiert zu werden.

 

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Dieses Buch bietet unserer engstirnigen Gesellschaft den Perspektivenwechsel, den sie so dringend nötig hat. Es zeigt uns, dass Schönheit ganz und gar nicht oberflächlich ist, sondern extrem politisch. Die Scham und Peinlichkeit, die wir aufgrund geringfügigster „Makel“ (die ja keine sind!) erfahren, erlangen wir durch unsere Sozialisierung im Patriarchat, welches seinen Gewinn aus Selbstzweifeln zieht. Aber dieses System bleibt nur aufrecht, wenn wir es auch weiterhin akzeptieren.

Also Stopp damit!

Du bist mehr als nur dein Körper! Your body, your choice. Was es braucht, ist eine Repräsentation aller Körper und ein diverses Verständnis von Schönheit. Es ist (Zitat) „Zeit für Zorn“. Elisabeth Lechner könnte es nicht besser formulieren (Zitat): „Schönheit ist ein System, das nur dann funktioniert, wenn es viele ausschließt“, jedoch hat schließlich jeder Mensch „bedingungslosen Respekt und Begegnung auf Augenhöhe verdient“. Momentan ist unsere Welt nur für dünne Menschen gemacht. Deshalb braucht es einen Aufstand – den Aufstand der widerspenstigen Körper. Liebe Elisabeth, danke für diesen wichtigen Beitrag, der hoffentlich viele Menschen in unserer vielfältigen Gesellschaft erreicht und eine lang ersehnte Rebellion startet. Die Sorority ist jedenfalls dabei 😉

 

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Abschließen möchte ich die Rezension dieses wichtigen Buches mit einem Zitat von @minusgold: „Have a body – nothing more, nothing less“. In diesem Sinne, Sisters* – lasst euch nicht unterkriegen, tut etwas, sprecht euch gegen Körperdiskriminierungen aus, verliert euch nicht in Selbstzweifeln, bildet Banden (à Sorority) und immer schön #riotdontdiet.

 

von Kerstin Kraus

 

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