Lernen, nicht rassistisch zu sein
Die rassismuskritische Denkerin unserer Zeit
Tupoka Ogette ist langjährige Aktivistin und Rassismus-Expertin im deutschsprachigen Raum. Sie arbeitet als Trainerin und Beraterin für Rassismuskritik und Antirassismus, leitet Workshops gibt Fortbildungen und hält Vorträge zum Thema. Dazu ist sie als Trainerin, Prozessbegleiterin und Beraterin tätig.
Größere Bekanntheit erlangte sie 2017 als Autorin des Bestsellerbuchs exit RACISM: rassismuskritisch denken lernen, das ein breites Publikum fand und eine kritische Auseinandersetzung mit eigenen Rassismen anregt. In ihrem Podcast TuPodcast spricht sie zudem mit Schwarzen Frauen* über das Schwarz- und Frausein und das Überleben in einer weißen, patriarchalen Mehrheitsgesellschaft.
Tupoka zählt heute zu den einflussreichsten Stimmen im Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus. Anders als Weiße Menschen, kann Tupoka es sich nicht aussuchen, ob sie sich mit diesen Themen auseinandersetzt. Tupoka Ogette wurde 1980 in der DDR, in Leipzig als Tochter eines tansanischen Studenten der Landwirtschaft und einer deutschen Mathematikstudentin geboren. Als sie drei Jahre alt ist, kehrt ihr Vater nach Tansania zurück. Ihre Mutter wandert mit ihr nach Westberlin aus, wo Tupoka als Schlüsselkind in Kreuzberg im besetzten Haus lebt. Während ihre Mutter ganztags arbeitet, um die kleine Familie über Wasser zu halten, ist Tupoka früh auf sich allein gestellt. Sie macht immer wieder rassistische Erfahrungen, die sie lange nicht einordnen kann. Obwohl sie ein Deutsches Mädchen ist wird sie täglich gefragt, wo sie herkommt und wann sie wieder nach Afrika geht. Zunehmend entsteht für sie das Gefühl in ihrer Heimat nicht zu Hause zu sein. Als Tupoka ihren Vater in Tansania besucht ist sie voller Hoffnung dort ein Gefühl des Ankommens und der Heimat zu spüren. Doch auch dort stellt sie fest, dass sie nicht dazugehört und anders wahrgenommen wird. Ihre Suche nach Zugehörigkeit und nach einem Ort, an dem sie sich nicht erklären muss trägt sie durch die Pubertät. Nach ihrer Matura verlässt sie Berlin und kehrt für ein Afrikanistik Studium mit Schwerpunkt Politik und Wirtschaft Afrikas zurück nach Leipzig.
Wir alle sind rassistisch sozialisiert. Rassismus findet sich in jedem Bereich unseres Lebens, unserer Gesellschaft. Allerdings haben wir nicht gelernt ihn zu erkennen, geschweige denn darüber zu sprechen. Rassismuskritik ist kein Trend und keine Phase. Rassismuskritisch denken und leben ist die Möglichkeit, Gesellschaft aktiv mit- und umzugestalten und eine gerechtere Welt für uns alle zu schaffen.
Afrodeutsch, ja das bin ich!
Eines Tages wird Tupoka in Leipzig von einer jungen Schwarzen Frau angesprochen und zu einem Treffen mit Afrodeutschen Frauen eingeladen und macht erste Mal die Erfahrung der Begegnung mit anderen Schwarzen Frauen. Hier erlebt sie nicht nur das ersehnte Gefühl von Zugehörigkeit, sondern erkennt im Austausch, dass die rassistischen Erfahrungen nicht ihr alleiniges Schicksal sind, sondern ein kollektives Erleben Schwarzer Menschen. Diese Zeit beschreibt Tupoka als ihr Schwarzes Coming Out. Es ist eine Zeit der Befreiung, der Wut über diese Ungerechtigkeiten die sie erlebt hat und auch ein Trost zu wissen nicht allein zu sein.
Es entstehen Netzwerktreffen in kleinen studentischen Wohnungen. Als 2012 Tupokas zweiter Sohn auf dem Spielplatz Erfahrungen machen muss, die sie schon als Kind erfahren musste, beschließt sie aktiv zu werden. Aus der Retraumatisierung und der Wut darüber, dass Schwarze Menschen sich vor Rassismus nicht schützen können, beschließt sie zunächst Workshops für Eltern mit Schwarzen Kindern zu konzipieren. Sehr schnell bekommt sie viel Zuspruch. Innerhalb kurzer Zeit hat sich ihr Angebot in weiten Teilen des Landes herumgesprochen. Tupoka ist eine der ersten Frauen, die derartiges in Deutschland umsetzt. Sie hat erkannt, dass ein Erfahrungsaustausch entscheidend dabei helfen kann Stärken und Resilienzen auszubauen. Noch heute sind es diese Vernetzungstreffen, die zu Tupokas Herzensprojekten zählen. Tupoka möchte helfen zu bilden und leistet auf unterschiedlichsten Ebenen Aufklärungsarbeit und bietet Unterstützung bei den Sensibilisierungen zu den Themen struktureller Rassismus, Intersektionalität und Empowerment. Das tut sie mittlerweile nicht nur in Workshops, sie hält auch Keynotes, gibt Trainings und hält Vorträge im gesamten deutschsprachigen Raum.
Die Zeit des aktiven Bekämpfens von Rassismus ist jetzt. Nicht morgen oder übermorgen. Jetzt. Zeit für aktive Zivilcourage, Zeit aktive verinnerlichte Denkmuster zu entlarven. Zeit rassistische Handlungen und Kommentare zu unterbrechen. In der Öffentlichkeit. In Deinem Team. In Deiner Familie. Jetzt.
exit Racism
2017 veröffentlicht Tupoka ihr Handbuch exit Racism. Rassismuskritisch denken lernen, ein Übungsbuch, um sich mit eigenen Vorurteilen auseinanderzusetzen und anzuerkennen, dass Rassismus da ist und wirkt. Darin zeichnet sie die Entstehungsgeschichte des Rassismus, mit besonderem Blick auf Deutschland, nach und erklärt die fast unsichtbaren rassistischen Strukturen, die sich in unserem Denken und Handeln festgesetzt haben. Mit diesem Bestseller und Klassiker der antirassistischen Bildungsarbeit konnte Tupoka bereits hunderttausende Menschen erreichen.
Nach diesem Erfolg folgen noch drei weitere Bücher, sowie eine digitale Lernplattform mit dem Namen Tupokademie mit der sie gemeinsam mit ihrem Team zu einer rassismuskritischen Auseinandersetzung einläd und dazu sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen.
Im Jahr 2019 wurde Ogette vom Magazin Edition F als eine der 25 einflussreichsten Frauen des Jahres ausgezeichnet. SPIEGEL Online nahm sie als eine von zehn Frauen in den Bildungskanon zum Thema Theorie und Politik auf. 2021 wurde sie von About You zum »Idol of The Year« gewählt. Zudem wurde Tupoka Ogette für den Grimme Online Award 2021 nominiert und vergangenes Jahr gewann sie für ihr Engagement den Emilie-Jäger Preis in Bern.
geschrieben von Marta Suzama
Info und Quellen
Foto: China Hopson
Website Tupoka Ogette
Instagram tupoka.o
Podcast Tuocast
Interview Was macht die Welt rassismusärmer? – Tupoka Ogette im Hotel Matze
SWR1 Leute Tupoka Ogette: Raus aus dem Rassismus
Website Exit Racism
ARD Audiothek Rassismuskritisch leben lernen – Tupoka Ogette über ihre Erfahrungen als Trainerin für Antirassismus
Interview Wiener Stadtgespräch Tupoka Ogette