Im Gespräch mit Profifußballerin Carina Wenninger
Anlässlich der diesjährigen Fußball-Europameisterschaft der Frauen rücken die Vergütung und die Bedingungen der Profispielerinnen in den Fokus.
Die erfolgreiche Fußballspielerin Carina Wenninger (geb. 1991) ist nach rund fünfzehn Jahren beim FC Bayern München nach Österreich zurückgekehrt. Aktuell spielt sie für FK Austria Wien (FAK). Im Gespräch mit Sorority spricht sie über die Unterschiede zwischen Frauen- und Männerfußball, wie sich weibliche Fangemeinschaften von männlichen unterscheiden und warum der Großteil aller Profifußballerinnen nebenbei arbeitet.
BK: Was bedeutet Fußball für dich?
CW: Ich komme ursprünglich aus Graz in der Steiermark, wo ich die ersten sechzehn Lebensjahre verbracht habe. Spaß und Freude standen immer im Vordergrund. Ich habe schon als kleines Kind gerne gespielt. Im Kindergarten habe ich vor allem mit den Burschen mitgespielt, mit meinem Papa gekickt, und diese Freude ist einfach geblieben.
Nur jede zehnte Frau kann vom Fußball leben
BK: Welche Unterschiede siehst du zwischen Frauen- und Männerfußball?
CW: Grundsätzlich bin ich ein Fan davon, Fußball als Ganzes zu betrachten. Oft macht man aber natürlich Unterschiede, weil es aus einer kommerziellen Sicht so viele Unterschiede gibt, dass man automatisch in andere Themen reinkommt. Ein Beispiel: Im Männerfußball ist es gang und gäbe, dass man als Profifußballer davon leben kann. Im Frauenfußball habe ich in zwei Ländern gespielt, wo ich sehr gut davon leben konnte. Jetzt bin ich wieder zurück in Österreich in der ersten Bundesliga, wo man meinen könnte, dass die gesamte Liga Profistatus haben sollte. Der Aufwand ist exakt derselbe wie in einer Männer-Bundesliga. Dennoch: Vor Kurzem wurde eine Analyse durchgeführt, und nur ein Zehntel der Frauen in der Bundesliga kann aktuell von dem Sport leben [1]. Im Frauenfußball redet man viel öfter darüber, die Strukturen auf einen besseren Stand zu bringen, sprich “Equal Play”. Natürlich wäre “Equal Pay” eine Wunschvorstellung, doch die ist noch ein großes Stück weit entfernt.
BK: Wie steht es um die Unterschiede bei der bereitgestellten Infrastruktur?
CW: Diese sieht man zum Beispiel an den Trainingsplätzen. Wir sind bei FK Austria Wien privilegiert, weil wir immer im Stadion gespielt haben und uns Top-Bedingungen sowie hochwertiges Material für Training und Spiele zur Verfügung stehen. Das entwickelt sich mehr und mehr. Aber hinsichtlich des Staff-Teams der Männer, also Cheftrainer:in, Co-Trainer:in, Videoanalyst:in oder ärztlicher Betreuung, sehe ich große Unterschiede. Da muss man den Standard für Frauenfußball in Österreich anheben und Rahmenbedingungen schaffen, um die gleichen Möglichkeiten wie Männer zu haben.
BK: Kann sich Österreich aus anderen Ländern etwas abschauen?
CW: Die Liebe zum Fußball ist in Österreich schon da, aber es gibt andere Nationen, in denen er viel emotionaler behaftet ist. Man muss realistisch bleiben: Man kann die erste Bundesliga der Männer nicht 1:1 mit der in Deutschland vergleichen. Ebenso wenig kann man die Frauenbundesliga mit jener in Deutschland vergleichen. Aber einzelne Dinge kann man sich abschauen. In Deutschland haben sich Vereine der Männer-Bundesliga schon früher entschlossen, im Frauenfußball aktiv zu sein. Bayern München hat seit Ewigkeiten eine Frauenmannschaft. Da gibt es fast nur noch namhafte Vereine, die Frauenfußball betreiben. Mit diesen Vereinen kommt Aufmerksamkeit. Wenn heute ein junges Mädchen zum Probetraining für Austria Wien oder Rapid eingeladen wird, ist das wirklich cool. Ich wäre als junges Mädchen gerne zum Probetraining von Sturm Graz gegangen, aber damals war das noch nicht möglich.
Sexismus in der Berichterstattung?
BK: Vermarkten Vereine ihre Spielerinnen ausreichend?
CW: Ich glaube, es gibt Potenzial zur besseren Vermarktung. Das fängt schon in der österreichischen Medienlandschaft an. Medien berichten zum Beispiel stark darüber, ob Ralf Rangnick Teamchef von Österreich bleibt oder zu Bayern wechselt. Sie berichten genauso, wenn Sturm Graz Sieger wird. Aber die Spielerinnen des SKN St. Pölten sind seit Ewigkeiten Serienmeisterinnen, und da herrscht ein extremes Ungleichgewicht in der Medienberichterstattung.
BK: Wie steht es um die Fankultur im Frauenfußball?
CW: Die Fankultur ist anders, sie ist sehr positiv. Je mehr Leute im Stadion sind, desto häufiger kommt es zu Konflikten und teilweise leider zu Gewalt. Das habe ich im Frauenfußball, rückblickend auf meine ganze Karriere und selbst bei vollen Stadien, nie erlebt. Im Allgemeinen ist Frauenfußball sehr friedlich, und auch die Fangruppen sind friedlich und familienfreundlich. Es gibt einzelne Gruppierungen, die sich entwickeln und uns unterstützen, aber diese extremen Fangemeinschaften, diese Ultras, die man oft hinter den Toren sieht und die ja auch für viele positive Momente sorgen, gibt es in dieser Häufigkeit bei den Frauen noch nicht. Da herrscht einfach ein anderes Klima.
BK: Was wünschst du dir für die Zukunft des Frauenfußballs?
CW: Mein Wunsch wäre, dass jedes Mädchen und jede Frau, die in der ersten oder zweiten Bundesliga spielt, ihrem Traum nachgehen kann und so Fußball spielt, dass sie nur noch Teilzeit arbeitet oder im besten Fall gar nicht mehr arbeiten muss. Damit man alles investieren kann, um den Traum zu leben. Wir würden uns außerdem sehr freuen, die eine oder andere Person im Stadion zu sehen, damit sich die Leute selbst vor Ort ein Bild machen können. Vielleicht findet man es cool und kommt wieder, vielleicht ist es doch nichts für einen – das ist auch okay. Aber wir würden uns sehr über Unterstützer:innen freuen.
geschrieben von Beatrix Kouba
Info und Quellen
Foto: Fritz Beck
Instagram Carina Wenninger
[1] Analyse Fußballerinnen kämpfen für bessere Bedingungen
Die Profifußballerin Carina Wenninger verbrachte ihre ersten sechszehn Lebensjahre in ihrer Heimatstadt Graz, bevor sie für den Fußball nach Deutschland zog. Nach fünfzehn erfolgreichen Jahren bei FC Bayern München kehrte sie vor kurzem zurück nach Österreich. In Deutschland hielt sie den Rekord für die meisten Einsätze für die Frauenabteilung des Vereins. Sie wurde dreimal deutsche Meisterin und ein Mal deutsche Pokalsiegerin.