Pia Hierzegger im Interview




Pia Hierzegger
lässt mit einem neuen Film aufhorchen: Ihr erstes Regieprojekt „Altweibersommer“ für das sie auch das Drehbuch geschrieben hat, feiert dieser Tage Premiere und erzählt von Freundinnenschaft, Selbstfindung und Abenteuer.
Die drei ehemaligen WG-Bewohnerinnen und langjährigen Freundinnen Elli, Astrid und Isabella machen bereits ihr halbes Leben jedes Jahr gemeinsam Campingurlaub in der Steiermark. Während Elli sich von einer Chemotherapie erholen soll, Astrid alles im Griff haben möchte und unentwegt Care- Arbeit leistet, verliert sich Isabella in aussichtslosen Liebesgeschichten. Unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen an diese Reise, schlechtes Wetter und eine skurrile Begegnung sorgen dafür, dass sich die drei Frauen auf einen Roadtrip nach Venedig aufmachen. Ein Abenteuer, das alte Gewohnheiten auf den Kopf stellt und einen wundervollen Blick auf die Mitte des Lebens richtet.

Wir wollen wissen, wie erzählt man Geschichten von Frauen in ihren 50ern und haben dazu die österreichische Theater- und Filmschauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin zum Gespräch getroffen. Bei einem italienischen Kaffee verrät uns die gebürtige Grazerin, alles über ihren neuen Film, wie sie arbeitet und warum sich Solidarität unter Frauen immer auszahlt.

Altweibersommer rückt eine langjährige Freundschaft in den Fokus, die neben den Routinen auch durch eine neue Lebensphase auf die Probe gestellt wird. Was hat dich hierbei ganz besonders interessiert und wie wolltest du diese Geschichte erzählen?

Pia: Der Ausgangspunkt war schnell gefunden, ich wollte etwas über drei Frauen, die befreundet sind, schreiben und ich wollte sie gemeinsam in den Urlaub schicken. Mich interessieren die Dynamiken und Mechanismen zwischen Personen und hier bei einem Trio.

Vor einigen Jahren habe ich ein Theaterstück geschrieben, das heißt Drei Schwestern auf Urlaub. Da sind es eigentlich zwei Schwestern und eine Freundin, deren Gruppenkonstellation ich näher untersuche. Und die haben immer so Gewaltfantasien gegen die anderen und fahren aber trotzdem noch miteinander auf Urlaub. Das Theater bietet die Möglichkeit dies viel überhöhter darzustellen und zu erzählen, aber das Thema Freundschaft, die Frage nach Gewohnheiten und Kippmomenten interessiert mich schon sehr. Aus diesem Interesse gilt es für mich eine Geschichte zu finden und die entsteht für mich meistens erst beim Schreiben. Ich konnte mir hier Zeit lassen, auch weil Altweibersommer kein Auftragswerk war. Zwischen vielen anderen Projekten beim Theater und beim Film habe ich das Drehbuch für die Geschichte auch mal liegen lassen müssen. Und dann, wenn man sich nach einiger Zeit wieder damit hinsetzt, ist man selbst auch verändert und damit wird der Zugang zum Text auch ein neuer. So entfaltet sich die Geschichte über eine längere Zeit hinweg.

Bei diesem Film hattest du auch die Möglichkeit selbst Regie zu führen? Wie war diese Erfahrung für dich und gibt es möglicherweise Vorbilder, an denen du dich orientiert hast?

Pia: Ich möchte nicht etwas versuchen so zu machen wie andere es tun, sondern schon meinen Weg finden und diesen gehen. Ich habe sehr viel mit Leuten gearbeitet, die ich als Schauspielerin sehr inspirierend gefunden habe und die mir geholfen haben, etwas zu entwickeln. Beispielweise macht Marie Kreutzer bei ihrer Arbeit als Regisseurin oft am Anfang einer Szene als Regieanweisung so ein bisschen etwas Überraschendes, womit du nicht gerechnet hast und das auch nur dir gilt. Das sind kleine Interventionen, die dann doch etwas mit dir machen und die Routine nehmen und die ich als Schauspielerin sehr gemocht habe. Dann hilft es auch viel Zeit mit den Menschen beim Proben zu verbringen. In der Geschichte sind es schließlich drei Freundinnen, die sich ewig kennen und da hilft es zu versuchen durch viel gemeinsame Zeit diese Atmosphäre herzustellen.



„Ich glaube, dass es für Frauen in ihren 50ern auch Geschichten gibt, die erzählenswert sind.“ – Pia Hierzegger







Altweibersommer ist ja nicht nur eine Geschichte über Freundschaft, sondern auch über das Älterwerden oder über eine Lebensphase, die viel Veränderung mitbringt. Wieso hast du dich dazu entschieden, die Geschichte von drei Freundinnen zu erzählen, die Anfang 50 sind?

Pia: Zu Beginn der Dreharbeiten waren weder Ursula Strauss noch Diana Amft 50 Jahre alt. Seitdem aber ich in dem Alter bin bemerke ich, dass die Zuschreibungen und die Art und Weise wie man über Frauen in diesem Alter spricht und wie man über sie denkt, nicht zutreffen. Oft leben diese Frauen ein anderes Leben, als es der Vorstellung der Leute entspricht. Man kann sich schwer vorstellen, dass Frauen in dem Alter noch etwas Anderes tun als zu Hause sitzen und langsam auf Enkel und dann aufs Sterben warten. Ich glaube, dass es für Frauen in ihren 50ern auch Geschichten gibt, die erzählenswert sind.
Seitdem ich selbst 50 bin werde ich häufiger angefragt für Rollen, die keine eigene Geschichte haben, sondern beispielsweise die Mutter der Hauptfigur sind.

Gibt es aufgrund dessen bei deiner Arbeit als Frau Themen oder Aspekte, die du besonders verteidigen musst? Gibt es Vorurteile, denen du begegnest und die es erst mal niederzureißen gilt, um das umzusetzen, was dir vorschwebt?

Pia: Bei meiner Arbeit und in meinen Drehbüchern wird das Thematisieren des Alters eher begrüßt.
Im Drehbuch zu meinem ersten Landkrimi gab es drei Sätze mit einer Unterhaltung von Frauen zur Menopause. Ich musste nicht darum kämpfen, dass das Thema drinbleibt, obwohl der Regisseur ein Mann war und das Feedback darüber war durchweg positiv. Gerade weil dies so selten irgendwo vorkommt. Ich glaube auch hier ändert sich generell etwas. Der Kampf [um Abbildung von Realitäten] hat schon vorher stattgefunden und der ist notwendig, um dort anzukommen, wo man all das frei machen kann.
In meinem Umfeld hat es früher wenig Frauen gegeben, die Regie geführt haben oder Drehbücher geschrieben haben. Gewisse Dinge habe ich daher auch gar nicht versucht, weil ich sie mir noch nicht vorstellen konnte, und es sie auch nicht gegeben hat.




Gibt es hier noch Geschichten von oder über Frauen, die dir fehlen?

Pia: Es gibt sicher Geschichten, die fehlen und erzählt werden sollten. Ich beobachte auch, dass es nicht ausreicht, eine Frau einfach nur in der Hauptrolle zu sehen. Johanna Dohnal, die ehemalige Frauenministerin, hat einmal gesagt, Frau sein allein ist kein Programm. Frauen sollten ganz selbstverständlich ihre Geschichten erzählen können und es wäre wünschenswert, dass man da immer weiter eintaucht, weil es auch von Interesse ist. Prinzipiell ist es beim Geschichtenerzählen fast immer so, dass sich die Figuren verändern oder etwas lernen, also am Schluss der Erzählung anders herausgehen. Ich bin jetzt gerade in einem Alter, in dem ich überlege was diese Lebensphase für meine Figuren bedeutet. Entweder man wird gezwungen, das Leben zu ändern beispielsweise durch eine Krankheit, eine Trennung oder ein anderes einschneidendes Lebensereignis, oder man macht sich selber einen neuen Weg und stellt fest, dass es noch so viel gibt, dass es zu erleben und ausprobieren gibt. Wenn ich auf Film schaue, dann ist das schon etwas, das mitschwingt, denn das Leben von Frauen ist ab 50 nicht unausweichlich vorherbestimmt oder abgeschlossen. Man kann doch nicht annehmen, dass Frauen alles erreicht haben, wenn sie Kinder bekommen und großgezogen haben. Männern erzählt man ihr ganzes Leben, dass sie etwas machen können, manche werden sogar mit fast 80 noch Präsident von Amerika.

Beispiele, die zeigen wie reich das Leben für Frauen sein kann, zeigen sowohl Film, als auch das Leben selbst. Der Film Nomadland von Chloé Zhao mit Frances McDormand zeigt eine Frau, die allein mit sich unterwegs ist, und es ist spannend mit ihr mitzugehen. Sie ist in einem Alter, in dem wir sonst nur Frauen sehen, die auf einer Terrasse sitzen und ihre Enkel schaukeln. Das muss nicht so sein, es gibt andere Geschichten. Oder ich durfte Doro Blancke kennenlernen, die in ihrer Pension begonnen hat wichtige Flüchtlingshilfe auf Lesbos und in Zusammenarbeit mit zahlreichen NGO´s zu leisten. Sie hätte auch ihren Lebensabend in ihrem schönen Haus genießen können, hat sich aber entschieden, etwas Sinnstiftendes zu tun. Wobei ich es auch total verstehe, wenn sich eine Person nach 40 Jahren 40 Stundenwoche einfach ausruhen will.

Wie bewertest du Solidarität unter Frauen und Frauenfreundschaften?

Pia: Ich finde es total wichtig, solidarisch mit anderen Frauen zu sein. Ich bin keine Männerhasserin, weil ich mir denke, es bringt jetzt nichts alle Männer zu hassen. Mir geht es darum, selbst in Bewegung zu kommen und anderen weiterzuhelfen.  Mir hat die Erkenntnis, dass Frauen nicht die gleichen Chancen wie Männer haben, geholfen. Und Solidarität von Frauen fußt darauf, dies zu erkämpfen. Ich war zum Weltfrauentag in Warschau und bin zur Eröffnung einer Abtreibungsberatungsstelle gegangen. Neben Abtreibungsgegner*innen war auch die Polizei auf der Straße. Als wir hineingegangen sind, hat man uns gesagt, wir seien die ersten Gästinnen, und da habe ich mir gedacht, das ist so wichtig, dass man anderen Frauen zeigt, dass man da ist und sie spüren, dass sie unterstützt werden.

 

Begegnet dir selbst auch Solidarität von Frauen in deinem Beruf? 

Pia: Es gibt in der Branche schon auch Konkurrenz. Mir gegenüber begegnen Kolleginnen positiv, und es hat auch gute Freundinnen, oder befreundete Filmemacherinnen gegeben, die mich durchweg unterstützt haben, auch wenn ich weiß, dass ihnen diese Art von Filmen vielleicht gar nicht so zugesagt hat. Sie sind da, einfach aus Prinzip, um andere Frauen zu unterstützen.

 

Was würdest du deinem jüngeren Ich als Lebensrat mit auf den Weg geben?

Pia: Ich rate dazu viel auszuprobieren und keine Angst zu haben, etwas zu versäumen. Ich hatte früher immer die Angst gehabt etwas zu versäumen.  No Fomo, und zuhören, was andere sagen, aber nicht immer alles zu ernst nehmen. Sich nur das herausnehmen, was man für sich braucht und sich nix scheißen!

„Altweibersommer“ nimmt uns mit auf eine kluge und witzige Reise voller Leben. Der Lido di Venezia ist nicht nur Sehnsuchtsort, an dem alles besser ist, sondern auch ein Geschenk, an dem die drei Freundinnen sich und ihr Leben noch einmal ganz neu betrachten können. Kinostart 04.04.2025








geschrieben von Marta Suzama

Info und Quellen

Foto: Pia Hierzegger © Ingo Pertramer

Filmfotos © Film AG Produktions GmbH, 2025

Trailer: Altweibersommer 

Theaterstück: Drei Schwestern auf Urlaub