Online Dating

Hinweis: dieser Beitrag ist hauptsächlich aus einer heteronormativen Betrachtung beschrieben.

Scheitern wir an Dating Apps oder dem Patriarchat?


Kaum jemand kann sich so recht damit anfreunden, trotzdem boomen sie: Online Dating Apps. Für vermehrt viele Paare sind sie der Ort des Kennen- und Liebenlernens. Doch wie beeinflussen diese Apps unsere Beziehungen? Und wie ist die Erfahrung dort vor allem für Frauen? Ich habe mal ein paar Fakten und Erfahrungen zusammengetragen, um dieses Thema näher zu beleuchten.



Die alltäglichen Herausforderungen der Dating Apps

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Frau swiped, Frau liked, Frau matched – und der jeweilige potentielle Dating Partner hoffentlich auch. Tatsächlich ist es für Frauen auf Dating Apps häufig leichter ein Match (oder mehrere) zu ergattern, als für Männer. Das liegt unter anderem daran, dass mehr als 60 Prozent der Dating App User:innen männlich sind. Dies bestätigt auch meine Wahrnehmung: manchmal scheint es fast zu viel Auswahl auf diversen Apps zu geben, sodass das Swipen oft herausfordernd und überfordernd wirkt. 

Ist dann ein Match gelungen, ist die nächste Frage: wer schreibt zuerst? Auf Bumble beispielsweise herrscht die Regel, dass die Frau die Unterhaltung beginnen muss. Bei den allermeisten Dating Apps besteht für beide die Möglichkeit, ihr Match anzuschreiben. Grundsätzlich habe ich kein Problem den ersten Schritt zu machen, habe dann jedoch oft festgestellt, dass sich mein Gesprächspartner „ausruht“ und die Unterhaltung von mir angetrieben wird. Nicht nur äußerst unattraktiv, sondern leider eine Erfahrung, die Frauen häufig machen. Sobald die Unterhaltung einseitig verläuft, ist das für mich ein Grund, das Match zeitnah aufzulösen. Es kommt mir einfach nicht in den Sinn, zu Beginn eines Kennenlernens keine Fragen an das Gegenüber zu stellen. Du weißt absolut nichts über mich – willst du mich überhaupt kennenlernen? Leider sehe ich fade oder einseitige Unterhaltungen auf diesen Apps nur zu oft und höre das auch von anderen Freundinnen. Es bedient nur allzu sehr das Klischee, dass Kommunikation eine Frauenstärke ist und somit in der Verantwortung weiblich gelesener Personen liegt. Aber wer möchte im Jahr 2024 noch einen Partner haben, der nicht kommunizieren kann?

Schreibt der Mann als Erstes, ist es häufig auch nicht besser. Von einfallslosen Eröffnungen wie „Hallo Hübsche 🌹“ (was zum Teufel soll ich darauf antworten?), bis zu vulgären Ausdrücken ist alles dabei. Bauchgefühlsmäßig muss ich sagen, dass bestimmt 90 Prozent der Matches sich schnell erübrigen. Leider. Es ist doch sehr frustrierend, viel Zeit und Energie in etwas hineinzustecken, das kein Potenzial hat. Mehr und mehr Menschen (aller Geschlechter) gewinnen eine ähnliche Erkenntnis, weshalb die Unzufriedenheit auf Dating Apps zu wachsen scheint. Nicht nur bezüglich der App selbst, sondern auch gegenüber dem anderen Geschlecht. Stereotype werden verfestigt und die Lust auf das Dating (oder sogar eine Beziehung?) vergeht. Treiben Dating Apps uns gar noch mehr auseinander?

Das fehlende Kommunikationsverständnis führt zu Frust und Wut auf das andere Geschlecht. Dieser Frust führt dazu, dass die Zahl der Nutzer:innen auf Dating Apps seit 2023 sinkt. Ich glaube, vielen Männern ist ihr Mangel an Kommunikationsstärke nicht bewusst, auch abseits des Online Dating. Aber gerade auf den Apps ist das ein Problem: Um ein Treffen zu arrangieren, MUSS vorab kommuniziert werden. Es ist unumgänglich. Und da scheitert es wohl bei den meisten Matches, bevor es überhaupt weitergehen kann. Wie kommuniziert man(n) richtig? Was ist zu Beginn einer Konversation zu beachten? Fragen, von denen viele Menschen auf den Apps keine Ahnung oder ein falsches Verständnis haben. Aber nicht nur die Kommunikation selbst, sondern auch der Inhalt kann problematisch sein. Nicht alle Nutzer:innen suchen eine Partnerschaft. Die Interessen können weit auseinandergehen, was zu einem weiteren Kommunikationsproblem führen kann. 

Die unterschiedlichen Erwartungen kollidieren miteinander. Hindern sie uns daran, erfolgreich im Netz zu daten?




Warum hohe Erwartungen nicht das Problem sind

Laut einer Studie des US-Investmentunternehmens Morgan Stanley wird angenommen, dass 45% der Frauen zwischen 25 und 44 Jahren bis 2030 alleinstehend sein werden. Die Gründe sind vielfältig: oft wird darauf fokussiert, dass Frauen heutzutage „mehr Ansprüche“ und Erwartungen an ihre potenziellen Partner haben, welche die Männer – im Patriarchat aufgewachsen und sozialisiert – oft nicht erfüllen können (oder wollen). Dazu ein aussagekräftiges Zitat von Greg Matos (Paarpsychologe):


“Während früher die Männer und ihre Ansprüche bestimmend gewesen sind, ändert sich das jetzt.”


Was diese Ansprüche genau sind, variiert natürlich von Mann zu Mann. Die Studien, die ich dazu nachgeschlagen habe, möchte ich lieber gar nicht erst zitieren, da sie mich buchstäblich wahnsinnig machen. Geschichtlich gesehen haben wohl die meisten Männer nach einer Partnerin gesucht, die selbstverständlich den Großteil der Haus- und Care-Arbeit übernimmt, inklusive Mental Load. Kindererziehung, zwischenmenschliche Beziehungen und häusliche Organisation lag hauptsächlich in den Händen der Frauen. Laut meiner Recherche suchen Männer vor allem etwas “Unkompliziertes” und eine Frau, die ihnen sowohl “Freiraum als auch Respekt entgegenbringt”. Ich frage mich, was diese Männer heute wohl machen.

Somit hat Matos Recht. Während vor ein paar Jahrzehnten die Mehrheit der Frauen finanziell von ihrem Partner abhängig war, sind Frauen heute emanzipierter. Der Rückgang der Heirats- und Geburtenraten bestätigt das. Denn der Druck zu heiraten und Kinder zu bekommen ist für Frauen enorm. Sie haben heutzutage nur mehr Möglichkeiten, sich dem zu widersetzen. Weitere Studien haben herausgefunden, dass Frauen ohne Partner oft deutlich zufriedener und selbstständiger sind als Männer ohne Partnerin, und sich daher womöglich mehr Zeit nehmen, bevor sie eine neue Beziehung beginnen.

Auch wenn es teilweise mühsam ist, sich über das Chatten auf Dating Apps kennenzulernen, sind erste Eindrücke und Erwartungen doch schnell ausgetauscht. Mit wachsender Anzahl der Matches lernt frau auch, Unstimmigkeiten frühzeitig zu erkennen und auszusortieren. Um eben möglichst wenig Zeit mit Unterhaltungen zu verlieren, die nicht zu den eigenen Vorstellungen passen. Solche Anzeichen können einseitige Kommunikation sein, aber auch narzisstisches Verhalten, fehlendes Interesse oder selbst misogyne Aussagen. Alles schon erlebt. 

Manchmal frage ich mich wirklich, wie nachhaltig diese Dating Apps für unsere Beziehungen bzw. unser Verständnis davon sind. Laut Leadersnet gehen die App-Nutzerzahlen unter anderem zurück, da die Oberflächlichkeit der Nutzung frustriert und das schnelle Wischen sowie die große Auswahl mit geringer Erfolgsquote überfordert. Das Interesse an Begegnungen im realen Leben nimmt zu, mit einem regelrechten Boom an Single Events. Aber auch andere Freizeitaktivitäten wie Sport oder Hobbies werden genutzt, um neue Leute kennenzulernen. 

Für mich überwiegen auf diesen Apps bisher die negativen Erfahrungen. Trotzdem möchte ich die Hoffnung auf einen Partner auf Augenhöhe nicht aufgeben. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Ich glaube nicht an Dating Apps, sondern an persönliche Kommunikation. Digitale Kommunikation ist abgestumpft, macht uns (leichter) ersetzbar und scheint bei weitem nicht so tiefgründig wie die Beziehungen, die wir uns wünschen. Wir verlernen es, offline miteinander zu kommunizieren. Dahin müssen wir allerdings zurück – einfach mal wieder jemanden in einer Bar oder Café anquatschen und schauen, was passiert. Das richtige Leben findet außerhalb der digitalen Komfortzone statt.


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Fazit

Während der Recherche zu diesem Beitrag musste ich mehr als einmal schmunzeln. Die kreativen Gründe, mit denen diverse Online- und Print-Medien aufkommen, weshalb mehr und mehr Menschen Single sind, erstaunen mich. Viel zu oft habe ich gelesen, dass Frauen zu hohe Ansprüche haben, und damit das Problem bei ihnen liegt. Aber sollten wir das Narrativ nicht ändern? Sollte es nicht heißen: Männer arbeiten zu wenig an sich selbst, um als potenzielle Partner in Frage zu kommen? Oder: Männer verfügen über wenig Selbstreflexion, die es ihnen ermöglichen würde, ein attraktiver (Lebens)partner zu sein? Um mehr Erfolge auf Dating Apps zu verbuchen, ist eine Verbesserung der (digitalen) Kommunikation notwendig sowie eine klare Vorstellung der eigenen Ziele. Ich persönlich gehe mit dem oben genannten Trend und sehe mehr Potenzial in einem Kennenlernen im echten Leben – sei es durch Zufall bei Freizeitaktivitäten oder ganz bewusst bei bestimmten Events. Aber vielleicht bin ich diesbezüglich auch einfach zu romantisch.

Zuletzt möchte ich euch, liebe Frauen, noch eins mit auf den Weg geben: eure Ansprüche sind nicht zu hoch! Jede:r verdient eine:n Partner:in, die:der euch respektvoll behandelt und mit euch auf Augenhöhe kommuniziert. Das ist das Mindeste. Sollten das schon zu hohe Ansprüche sein, steht unsere Gesellschaft vor ganz anderen Problemen. In diesem Sinne: Happy Dating!



Geschrieben von Kerstin Kraus