Ciocia Wienia, unsere Heroine*s of the month, sind mutig, cool und setzen sich für andere Frauen ein, die sie persönlich gar nicht kennen. Sie sind die Tanten (“Ciocia”), die einem aus der Patsche helfen, ohne lange nachzufragen. Sie wollen helfen, ohne sich dabei ins Rampenlicht zu stellen. Deshalb bleiben sie auch lieber anonym und das ist ihr gutes Recht. Zu sagen gibt es dennoch einiges über sie 😉

von Claudia Schneider

Mit dem Feminismus und den dadurch erreichten Zielen ist es so eine Sache. Wie beim Yoga, wo in der Vorbeuge längst schon ohne Probleme die eigenen Zehen zum Kitzeln erreicht wurden, genügt oft eine schlechte Nacht auf einer harten Couch, oder die falsche Partei an der Staatsspitze und schon scheint das gestern noch Selbstverständliche mit einem Mal wieder unerreichbar.

Das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper und die damit verbundene Möglichkeit, eine ungewollte Schwangerschaft abzubrechen, schien in vielen Ländern seit Jahren etabliertes Grundrecht.

 

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Der Fall Polen zeigt uns jedoch, wie schnell dieses mühsam erkämpfte Recht kippen kann. Die schon zuvor sehr restriktiven Regelungen des Abtreibungsgesetzes im EU-Land Polen wurden im Oktober nochmals verschärft. Schon zuvor durfte nur im Falle einer starken Fehlbildung des ungeborenen Kindes oder nach einer Vergewaltigung abgetrieben werden. Seit Ende Jänner ist ein Schwangerschaftsabbruch in Polen de facto auf legalem Weg nicht mehr möglich. Das hat zu anhaltenden Protesten und Solidaritätsbekenntnissen geführt. Denn es treibt viele Frauen, die sich in einer komplizierten Lage befinden, in Notsituationen. Sie stehen vor der Wahl, ein Kind zu bekommen, das sie aus gesundheitlichen oder auch anderen Gründen nicht bekommen wollen oder eine Abtreibung abseits vom offiziellen Gesundheitswesen in Betracht zu ziehen, was nicht nur eine zusätzliche psychische Belastung darstellt, sondern ein erhebliches gesundheitliches Risiko mit sich bringt.

So geht gelebte Solidarität

Doch zum Glück gibt es die Ciocia Wienia: Das bedeutet soviel wie “Tante aus Wien/ Wener Tante”. Einige feministische Aktivistinnen mit polnischem Background haben sich unter dem Namen zusammengeschlossen und zeigen, wie gelebte Solidarität unter Frauen aussehen kann.
Sie organisieren Schwangerschaftsabbrüche in Wien für ungewollt schwangere Frauen aus Polen und anderen Ländern, in denen Abtreibungen legal nicht durchgeführt werden dürfen.Formiert haben sich die Tanten im September 2020, doch seit die Gesetzesnovelle beschlossen wurde, und dem Inkrafttreten derselben Anfang diesen Jahres, bekamen sie vermehrt mediale Aufmerksamkeit. Wie wir finden: völlig zurecht, denn je mehr davon wissen, desto mehr können auch selbst mithelfen! Finanzielle Hilfe ist ebenso gefragt wie helfende Hände beim Mitorganisieren, Übersetzen oder Begleiten. Dafür einfach den direkten Kontakt suchen. Von Beginn an wurden die Wiener Tanten von ihrer Schwestern-Organisation Ciocia Basia in Berlin unterstützt, die sich dort für dasselbe Anliegen starkmachen und von feministischen Organisationen in Polen selbst.

 

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Die Tanten helfen aus

Es ist ein besonderes Service, das die Freiwilligen von Ciocia Wienia anbieten. Sie machen Termine für eine Abtreibung in Wien aus, organisieren die Reise und kalkulieren dabei auch die COVID-19-Bestimmungen mit ein. Sie holen die Hilfesuchenden am Bahnsteig ab und begleiten sie zum Eingriff. All das kostet natürlich Geld. Und zwar zwischen 550 und 915 Euro – exklusive der Reisekosten. Da das Grundeinkommen in Polen im Vergleich zu Österreich wesentlich geringer ausfällt, ist das für viele polnische Frauen eine wirklich große Summe. Da vielen dafür das Geld fehlt, haben die Wienerinnen eine Spendenmöglichkeit eingerichtet, die hier aushilft.

Wir finden das, was die Frauen von Ciocia Wienia leisten,einfach großartig. Und damit es keine Misverständnisse gibt: Schwangerschaftsabbrüche sind eine ernstzunehmende Angelegenheit, doch es kann gute Gründe dafür geben. Frauen in bestimmten Situationen die Möglichkeit einer sicheren Abtreibung zu verwehren, sollte in Europa 2021 nur mehr in Geschichtsbüchern stehen. Wenn es aber im eigenen Staat nicht möglich ist solche medizinischen Dienste in Anspruch zu nehmen, dann ist es gut, dass frau sich auf die Tanten im Ausland verlassen kann Und wenn doch, dann braucht es Tanten, die ihr schnell und unkompliziert helfen können.
Ciocia Wienia findest du auf allen gängigen Social-Media-Kanälen und unterstützen kannst du sie auch hier. Spread the word!