Marlene Engelhorn




Kämpferin für soziale Gerechtigkeit


Viele kennen die Vermögensaktivistin und Millionenerbin Marlene Engelhorn als eine mahnende Stimme für Steuergerechtigkeit. Seitdem sie 2020 erfahren hat, dass ein großes Erbe auf sie zukommt tritt sie mit ihren Forderungen nach gerechterer Vermögensverteilung unermüdlich in die Öffentlichkeit und macht auf die Notwendigkeit von Erbschaftssteuern aufmerksam.
Doch wer ist die Frau, die das bestehende System der Vermögensverteilung auf den Kopf stellen will?

In ihren ersten Interviews bezeichnete sich Marlene Engelhorn als „Rich Kid“ mit allen Privilegien. „Ich bin ein Stubenhocker und ein Bücherwurm“ sagt sie über sich selbst und zitiert auch gern Mal Voltaire. Sie kommt 1992 in einer außerordentlich wohlhabenden Familie in Wien zu Welt, wächst in einem „viel zu großen Haus“ auf, besucht Privatschulen. Sie ist Nachfahrin des BASF-Gründers und -Verkäufers Friedrich Engelhorn, der sich dann beim Pharma-Konzern Boehringer Mannheim eingekauft hat, welchen die
Familie 1997 für Milliarden an Hofmann-la-Roche verkauft hat. Von ihrer Großmutter erbte sie 2022 einen zweistelligen Millionenbetrag.
Ein Grund zur Freude sollte man meinen. Der Beginn eines sorgenfreien Lebens, doch Marlene ist über diese Ungerechtigkeit wütend, hat sie denn für dieses Geld weder gearbeitet, noch irgendeinen Beitrag geleistet.


Ein ungerechtes Steuersystem


Sie beginnt sich mit Personen in ihrem Umfeld darüber auszutauschen, was sie mit so viel Geld anfangen sollte. Sie spricht mit anderen Millionär:innen, mit Expert:innen und auch mit Menschen, die so wie sie die strukturelle Ungerechtigkeiten im Erbschaftssystem anprangern.

Seit 2008 gibt es in Österreich keine Erbschaftssteuer und keine Schenkungssteuer. Die Folge: von € 400 Milliarden, die jährlich vererbt werden, schaffen es nur 2% (ca. € 8 Milliarden) in die Staatskassen. Marlene findet: eine lächerlich geringe Summe für etwas, das man ohne jegliche Arbeit zu leisten erhält.
Sie kommt zu dem Schluss, dass nicht sie allein darüber entscheiden sollte, was mit ihrem vererbten Vermögen passieren soll und gründet im Februar 2021 die Initiative Taxmenow. Ziel der Initiative ist auf Basis eines gerechten Steuersystems Wohlstand, Teilhabe und soziale Sicherheit für alle sicherzustellen und einen breiten öffentlichen Diskurs darüber anzuregen wie dies umgesetzt werden kann. Sie fordern neben einer Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer, eine sinnvolle Kapitalertragssteuer und umfassende Ausfinanzierung von Steuerbehörden. Die von Marlene Engelhorn ins Leben gerufene Petition „Millionär*innen fordern höhere Besteuerung von Millionenvermögen“ hat bereits 93.000 Unterschriften sammeln können.


„Es gibt Menschen, die so unglaublich viel Geld besitzen, dass ihre Vision davon was eine gute Welt ist bestimmt, wie dann die Welt für ganz viele andere Menschen ausschaut. Das ist eigentlich ein realpolitisches Eingreifen, denn diese Menschen haben kein Mandat. Das ist undemokratisch.“


Vermögen – ein Problem für die Demokratie?


In Österreich besitzen die reichsten 10% in der Vermögensverteilung 70-75% des Gesamtvermögens, das reichste Prozent der Bevölkerung je nach Schätzung bis zu 50% des Vermögens. Die ärmsten 50% besitzen hingegen gerade einmal 2,5% des Gesamtvermögens. So wundert es nicht, dass sich mehr als zwei Drittel der Menschen in Österreich, quer durch alle Schichten für eine Vermögenssteuer aussprechen.

Marlene prangert unaufhörlich die Strukturen an, die dafür sorgen, dass diese signifikante Vermögensungerechtigkeit fortbestehen kann. Ihre Leitfragen dabei richten sich immer an den Gedanken der Gerechtigkeit, sowohl individuell, als auch strukturell.

Was bedeutet ein gutes Leben für alle und wer darf das entscheiden?
Marlene Engelhorn stellt fest, dass Machtpositionen von wohlhabenden Personen bekleidet werden, die über eine große Entscheidungsmacht besitzen. Dieses 1% der Bevölkerung mit 50% des Gesamtvermögens ist in ihren Augen nicht befugt Entscheidungen auf Basis ihres Einflusses zu treffen, denn diese Personen sind nicht demokratisch gewählt. Reiche sollten nicht mehr Einfluss auf die Gesellschaft haben, als alle anderen Menschen.


„Was ist ein wohlhabendes Land, wenn die Hälfte der Bevölkerung fast nichts besitzt und 40.000 Haushalte fast alles besitzen?“


Als Konsequenz dieser Überlegungen und einer fehlenden Erbschaftssteuer beschließt sie 90% ihres Erbes zu spenden und gründet dazu den Bürger:innenrat „Guter Rat für Rückverteilung“. Als ein demokratisches Gremium sollen 50 zufällig ausgewählten Personen Ideen für den Umgang mit Vermögensverteilung entwickeln und Marlenes Erbe an die Gesellschaft rückverteilen.

Mitte Juni 2024 gab der Bürger:innenrat seine Entscheidung bekannt:
77 Organisationen, die die sich mit den Themen Umverteilung, Globalisierungskritik, Klima und Umwelt, leistbares Wohnen, Gesundheit und Soziales sowie Integration und Bildung beschäftigen sollen über einen Zeitraum von 3-5 Jahren insgesamt über 24 Millionen erhalten.


„Ein Großteil meines geerbten Vermögens, das mich durch meine Geburt in eine Machtposition gehoben hat, die jedem demokratischen Grundsatz widerspricht, wurde nun im Einklang mit demokratischen Werten rückverteilt. Ich bin den 50 Ratsmitgliedern für ihre Arbeit, die sich nicht allein auf die Rückverteilung beschränkt hat, sondern vor allem die Frage der Auswirkungen unserer ungleichen Vermögensverteilung in den Blick genommen hat, unendlich dankbar. “


Marlene Engelhorn möchte weiterhin den öffentlichen Diskurs darüber anregen, die Strukturen, die dafür sorgen, dass nach einem dynastischen Prinzip des Erbens der Wert von Arbeit und menschlichen Zusammenleben bestimmt wird zu hinterfragen und sich weiterhin für Steuergerechtigkeit einsetzen. Ihr geht es darum, Möglichkeiten zu schaffen, die Wohlstand für alle gewährleisten und weder Überreichtum noch Armut zulassen. Für Marlene Engelhorn ist ihr Erbe eine Herausforderung und persönliche Verantwortung. Mit ihrem Engagement inspiriert sie zahlreiche Menschen und wirft eine der wichtigsten gesellschaftspolitischen Fragen unserer Zeit auf.

Marlene Engelhorn ist eine mutige Vorreiterin für eine gerechtere Welt und unsere Hero:ine des Monats.




geschrieben von Marta Suzama