THE: Recap – Sisters MeetUp Juni 2024
Nachbericht Sisters MeetUp Juni 2024 – Selbstständigkeit
Das Sisters MeetUp ist unser monatliches Netzwerktreffen für alle Sisters* und jene, die es noch werden wollen. Diese regelmäßigen Treffen sind das Herzstück der Sorority, bei dem wir uns einem Thema aus feministischer Perspektive widmen und uns im Anschluss Zeit für Vernetzung und Gespräche mit allen Teilnehmer:innen nehmen.
Dieses Mal sprachen wir mit Valerie Hengl (Female Founders) und Jiaran Wang (Mindfulbizz) über Herausforderungen und Chancen für Gründer:innen in der Selbstständigkeit.
Wie Gründen? Der Weg in die Selbstständigkeit
Das Sisters MeetUp im Juni 2024 stand ganz unter dem Motto der Selbstständigkeit. Bei der eigenen Unternehmensgründung ergeben sich viele Fragen und mögliche Unsicherheiten.
Wir haben mit zwei Expert:innen über Herausforderungen und Chancen für Gründer:innen sprechen können.
Jiaran Wang ist Internationalisierungs-Enthusiastin, Mentorin für internationale Start-ups und persönliche Transformation, klassische Pianistin und die Gründerin & CEO von Artciety GmbH und A MINDFUL BIZ.
Sie wurde in China geboren und kam im Alter von 14 Jahren nach Wien, um Musik und später Wirtschaft zu studieren. Jiaran hat über 20 Jahre Erfahrung in der Kreativbranche und der internationalen Kommunikation, über 10 Jahre in der Personal- und Geschäftsentwicklung, seit 5 Jahren mit digitalem Markerting, E-Commerce und Digitalisierung in Europa und China
Valerie Hengl (Co-CEO Female Founders und Ex-Gründerin von geschlossenem Unternehmen Purency) Mit ihrem Hintergrund in den Bereichen Wirtschaft, Umwelttechnologie und Projektmanagement bringt Valerie Hengl vielseitige Fähigkeiten in ihre Rolle ein. Durch ihre Erfahrung bei der Gründung und Führung ihres eigenen Unternehmens über drei Jahre hinweg hat sie die Herausforderungen und Erfolge des Unternehmertums aus erster Hand kennengelernt.
Angetrieben von ihrer Leidenschaft für das Unternehmertum und ihrem Engagement für die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter im Startup-Ökosystem ist Valerie weiterhin eine treibende Kraft bei der Gestaltung der Zukunft der Innovation in Europa.
Der Weg in die Selbstständigkeit ist bekanntlich mit Herausforderungen verbunden. Vor welchen Herausforderungen steht ihr gerade?
Jiaran: Ich bin seit 14 Jahren in der Selbstständigkeit und nun in der 33 Woche mit meinem ersten Kind schwanger. Ich sehe mich also vor der Frage “Kann man selbstständig sein und gleichzeitig Mutter?”Die meisten würden sagen, dass ist eine schwierige Situation mit vielen Herausforderungen.
Ich habe das Bedürfnis alle Rollen als Unternehmerin mit Mutterschaft zu verbinden. Das verlangt gewiss sehr viel Zeit und Möglichkeiten zur Planung und Organisation. Ich bin allerdings voller Vorfreude und Zuversicht.
Valerie: 2020 habe ich gemeinsam mir drei Co-Gründer:innen ein äußerst erfolgreiches Startup gegründet, das eine Software entwickelt hat um Mikroplastik zu identifizieren. Die Software wurde auf der ganzen Welt verkauft und das Unternehmen lief drei Jahre lang sehr gut. Dennoch habe ich gemerkt, dass ich unzufrieden bin und zunehmend ins Burnout rutsche. Hinzu kam ein Streit mit zwei der Co-Gründer:innen Gründer:innen, was dazu führte, dass ich das Unternehmen verlassen habe.
Diese Zeit war für mich eine enorm herausfordernde und sehr schmerzhaft.
Jetzt bei Female Founders geht es mir darum Frauen in der Technologiewelt in Europa zu fördern, sie mit Invenstor:innen zusammenzubringen, damit sie Startups zu gründen können. In Österreich gibt es einen großen Genderfundingap der zeigt, dass Frauen für Ihre Projekte weniger Förder- Investitionsgelder bekommen als Männer und dass es zu wenig Investorinnen gibt.
Geld und Fundraising aufzustellen für Frauen in einer männerdominierten Welt ist sehr schwer. Ich mache dies mit verschiedensten Programmen und Events.
Was würdest du Personen raten, die Gründen möchten? Was würdest du ihnen als Tipp mitgeben?
Valerie: Meine Erfahrung hat mir gezeigt, möchte man co-gründen, sollte man die Person wirklich gut kennen und einschätzen können. Ich hatte drei Jahre lang die Erfahrung gemacht, dass es auf der persönlichen Ebene nie geklappt hat, aber auch der professionellen Ebene lief alles wie am Schnürchen. Dennoch haben genau Grenzüberschreitungen auf der persönlichen Ebene dazu geführt, dass ich ausgestiegen bin.
Sucht also jemanden mit dem ihr gut arbeiten könnt. Wichtig ist sich zu fragen; kann ich mich verlassen auf die Person? Wie ist der Umgang mit Konflikten? Beziehung miteinander? Man sollte sich fachlich ergänzen und einen respektvollen Umgang miteinander pflegen.
Wie gehe ich es an, wenn ich alleine gründen möchte?
Jiaran: Für mich war die Unterscheidung wichtig: mache ich das, weil ich Geld verdienen möchte, oder mache ich das weil mir an der Sache etwas liegt? Als Unternehmerin sollte man seine Passion zu Geld machen wollen.
Als Künstlerin habe ich den wirtschaftlichen Faktor zunächst nicht gesehen. Aber wenn du über deine Werte nicht sprechen und nicht verhandeln kannst, dann schadet das auch deinem künstlerischen Schaffen. Es ist wichtig, dass man über Geld spricht.
Ich habe mit vier Jahren angefangen Klavier zu spielen. In meiner Familie wurde eine Import/Export Firma gegründet, die viel dazu beigetragen hat, dass ich meine künstlerische Karriere aufbauen kann. So habe ich schnell mitbekommen, wie wichtig auch wirtschaftliches Arbeiten ist.
Es mag trocken sein, aber am Ende bringt es dir das Geld, das du brauchst.
In Österreich habe ich mir dann Hilfe gesucht und habe viele Coaching gemacht und ausprobiert. Wenn man ans Selbstständigkeit denkt sollte man sich fragen, ob es einem auch gefällt. Dabei spielt die Vermarktung des eigenen Werts eine entscheidende Rolle.
Hast du Tipps für eine gute Sichtbarkeit?
Jiaran: Eigentlich bin ich von Haus aus schüchtern. Künstler:innen sind offen, wenn es um ihr Schaffen geht, aber bei ihrem Eigenwert oft zurückhaltend. Ich musste lange trainieren mit meinem Können nach außen zu gehen. Vor 8 Jahren habe ich mit einem Investor gesprochen, der mir gesagt hat: „Du machst so tolle Dinge, aber ich sehe kaum, dass du darüber redest.“ Ich dachte, ich brauche das nicht zu tun. Aber die anderen brauchen das. Nur weil ich das weiß, was ich mache und was ich kann, bedeutet das schließlich nicht, dass mein Publikum das auch weiß. Das war ein Learning, das angenommen habe und fing dann an mich mit anderen auszutauschen. Schritt für Schritt habe ich damit begonnen an meiner Sichtbarkeit zu arbeiten. Es geht dabei nicht darum jeden Tag etwas zu posten, das wäre für mich auch nicht authentisch. Aber es ist entscheidend, dass die Menschen, die dein Angebot nutzen möchten dich finden können.
Es ist ganz wichtig, dass man Erfolge feiert und diese auch nach außen trägt. Es gibt so eine große Bubble da draußen und umso wichtiger ist es, dass Frauen darin ihre Position einnehmen. – Valerie Hengl
Der Genderfundinggap ist ein Problem, dass die Female Founders versuchen zu lösen. Wie kann man als Frau, die gründen möchte vor diesem Hintergrund vorgehen?
Valerie: Man kann Kapital durch externes Geld, beispielsweise durch Förderungen erhalten.Gerade wenn man eine GmbH gründet, schnell wachsen möchte, Leute einstellen will und einen Markt erreichen möchte sind Drittmittel unerlässlich.
Es ist ein extremer Förderdschungel da draußen und es ist mühsam und so kompliziert, dass wir bei Female Founders ein eigenes Programm dafür haben. Davon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen. Starten sollte man mit einer Cashflowanalyse. Man muss sehr viel zu Buchhaltung machen, sich mit Steuern auseinandersetzen und mit Investoren sprechen. Die möchten eine Prognose für den Absatzmarkt haben. Es geht hierbei sehr viel ums Verkaufen. Gerade in der Investmentbranche geht es darum, dass Menschen dich sympathisch finden. Ich habe mit 90 Business Angels gesprochen. 89 waren Männer und eine war eine Frau. Bei Finanzfragen wurde nur meine männlichen Co-Gründer angesprochen, obwohl ich als Geschäftsführung die Finanzkennzahlen erstellt habe. Von genderstereotypischen Gesprächen bei Pitches sollte man sich nicht entmutigen lassen. Erfreulicherweise gibt es vermehrt öffentliche Förderungen, und weibliche Business Angels und Investorinnen.
Personen, die ihr Geld investieren möchten, sollte man auch dazu motivieren, in frauengeführte Unternehmen zu investieren. Auch mit wenigen Tausend Euro kann man weiblich geführten Unternehmen helfen. Es ist wichtig, dass wir als Frauen dort auch partizipieren.
Man braucht einerseits natürlich Menschen, die an einen glauben, aber auch auf Augenhöhe mit einem sprechen. Investoren können auch eine gute Perspektive hineinbringen, sind aber keine Teammitglieder. Es ist ein hartes Feld, aber es hilft auch naiv hineinzugehen und sich nicht zu ernst zu nehmen.
Welche Rolle spielt Skalierbarkeit beim Gründen? Also wie wichtig ist das was man gestaltet auch bewertbar zu machen?
Jiaran: Grundsätzlich ist es eine gute Idee skalierbares Angebot zu haben, um unabhängig sein zu können. Für Kreative kann es aber auch schwierig sein, denn künstlerische Produkte sind oft etwas Einmaliges und schwer in ein wiederholbares Produkt zu bringen.
Man kann sich auch dafür einen Plan machen. Mein Ratschlag wäre zu schauen, dass man vor allem zu Beginn möglichst Geld verdient und im nächsten Schritt sich überlegt wie man seine Ideen weiterentwickelt. Es muss auch zu dir passen, daher auch hier immer die Frage mitnehmen, was will ich erschaffen? Um das herauszufinden kann ein Coaching oder Mentoring helfen eine persönliche Lösung zu schnüren.
Valerie: In der Selbstständigkeit ist es gerade zu Beginn nicht leicht Kunden zu finden. Ein skalierbares Produkt kann dabei helfen einen effizienteren Prozess anzuwenden. Es sind in meinen Augen unterschiedliche Strategien. Gerade, wenn man andere Gründer:innen mit im Boot hat sollte man sich im Vorfeld entscheiden wohin die Reise gehen soll.
Es kann auf dem Weg in die Selbständigkeit auch zu einem Wertekonflikt mit Investor:innen kommen. Wie bewertet ihr dieses Problem?
Valerie: Für mich ist immer das Ziel entscheidend. Ich möchte den Genderfundingap schließen und wenn es auf dem Weg dorthin Menschen braucht mit denen ich nicht 100%ig übereinstimme, dann ist es so. Gerade als junge Gründerin ist man für seine ersten Projekte abhängig von Investments und kann es sich leider nicht aussuchen. Wichtig ist aber das Higher Good im Blick zu behalten um sich seine Geldgeber:innen irgendwann auch aussuchen zu können.
Jiaran: Vielleicht hilft es auch sich klarzumachen, dass nicht immer alles einfach sein wird und dass das auch nicht das Ziel ist. Es soll erfüllend sein, Geld und Sichtbarkeit bringen. Wenn die obersten Ziele gut gewählt sind, dann überlebst du auch kleine Übel.
Frauen wollen immer von vorne und von unten klein anfangen, um sich schrittweise zu vergrößern. Es ist aber nicht notwendig, wir können von oben beginnen. Wir dürfen gleich groß sein. Wer sagt, dass wir alles aufbauen müssen. – Jiaran Wang
Wie geht ihr mit Pro-bono Fällen um?
Valerie: Man muss das für sich abwägen. Kann ich das mit anderen Projekten, die Geld bringen ausgleichen? Da müssen gerade wir Frauen schauen, dass man dadurch nicht Nachteile erfährt. Wünschenswert wäre natürlich eine Gesellschaft in der wir Pro-bono Fälle gar nicht brauchen, weil NGO´s solche Leistungen zahlen können, aber davon sind wir noch weit entfernt.
Jiaran: Meine Beobachtung ist, dass Männer alles anschreiben. Frauen wollen immer von vorne und von unten klein anfangen, um sich schrittweise zu vergrößern. Es ist aber nicht notwendig, wir können von oben beginnen. Wir dürfen gleich groß sein. Wer sagt, dass wir alles aufbauen müssen.
Hier sieht man auch Unterschiede im Mindset: Männer fragen sich eher: Wie kann ich schnell wachsen, wie kann ich schnell Geld verdienen? Wie kann ich beeindrucken, schnell Zielgruppen finden?
Frauen haben andere Themen: Bin ich schon so weit? Bin ich gut genug?
Wie bewärtet ihr die Gefahr, dass sich die Leidenschaft für eine Sache auflöst, sobald man sie beruflich macht?
Jiaran: Ich verstehe die Bedenken dahinter, denn wenn du etwas wirklich gut machen möchtest, musst du alle deine Ressourcen investieren und auch wenn du nicht immer möchtest musst du alles geben. Es ist immer eine Frage der Balance und wie du mit dir umgehst, was du dir erlaubst und dabei dein Ziel im Blick behältst. Beschäftigung mit deiner Leidenschaft kann dich nur besser machen. Wenn du das machst, was du wirklich machen willst, dann sind andere Dinge auch nicht mehr so schlimm, wie man es sich vorgestellt hat.
Valerie: Natürlich besteht auch die Gefahr, des Ausbrennens. Wenn du etwas mit großer Leidenschaft machst, kannst du dich auch verlieren im Prozess. Ich wollte immer große Umweltprobleme auf der Welt lösen. Das war meine Leidenschaft und als ich aus dem Unternehmen gefallen bin habe ich geglaubt, nichts Vergleichbaren mehr zu finden. Als ich im Februar bei Female Founders begonnen habe, habe ich festgestellt, wie mein Herz schneller zu schlagen begonnen hat. Frauen zu fördern, die Unternehmen gründen wollen macht mir so viel Freude und gibt mir so viel Energie. Es ist so ein Rewardingprozess, wenn du liebst was du machst und du hast viel mehr Kraft und begeisterst damit andere Leute.
Geschrieben von Marta Suzama
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Foto: © Helene Lozar
Female Founders
Artciety GmbH
LinkedIn Jiaran Wang
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