Mentale Gesundheit am Arbeitsplatz 


Wir haben Sommer 2024 und es ist traurig, aber leider auch wahr: Es ist immer noch nicht selbstverständlich, über mentale Gesundheit und noch weniger über mentale Gesundheit am Arbeitsplatz zu sprechen. Verwunderlich, schockierend oder frustrierend – sucht euch gerne ein passendes Wort aus, um das zu beschreiben. Seit Jahren sind Burnouts, Depressionen und Angststörungen häufige Gründe für Arbeitsausfälle, und dennoch wird oft zu wenig darüber gesprochen. Warum ist das so? 

Die Sache mit der Angreifbarkeit 


Zum einen mag es daran liegen, dass diejenigen, die offen über ihre Grenzen und Überforderungen sprechen, sich angreifbar und verletzlich zeigen. Genau das, was im Arbeitskontext besonders ungern gesehen wird. Viel zu tief sitzt der Glaube, man könne nur erfolgreich sein, wenn man nichts als Stärke zeigt. In Wahrheit wäre/ist dies ein gesunder Umgang mit den eigenen Ressourcen und eine Strategie völliger Erschöpfung entgegenzuwirken. Ist es daher nicht an der Zeit zu verstehen, dass es mutig und nicht schwach ist, darüber offen zu sprechen? Wir denken schon! 

Umdenken – vor allem von oben 


Woher die Scheu kommt, über mentale Gesundheit zu reden, ist zu einem Teil sicherlich klar. Es ist die Angst davor, nicht mehr ernst genommen zu werden, als weniger wertvoll eingeschätzt zu werden oder schlicht gefeuert zu werden. Man gibt immerhin etwas sehr Persönliches preis. Umso wichtiger ist daher ein Umdenken von oben, und damit meinen wir ein Umdenken in den Chefetagen. An alle Führungskräfte da draußen: Wenn ihr wollt, dass sich eure Mitarbeitenden wohlfühlen, sie mehr Energie für die Arbeit haben und lange bei euch bleiben, dann schafft eine Atmosphäre, in der sie auch über ihre psychische Gesundheit sprechen können. 

Der richtige Zeitpunkt, das Thema anzusprechen


Auch, wenn die Überschrift damit spielt:  sorry, aber die pauschale Antwort, wann der beste Zeitpunkt ist, um über psychische Belastung zu sprechen, gibt es wohl nicht. Fragen wie: Sage ich schon beim Jobinterview, dass ich unter ADHS leide, depressiv bin oder Angststörungen habe? können an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Sie hängen individuell von der eigenen Persönlichkeit, dem gesundheitlichen Zustand und der jeweiligen Situation ab. Besprich dich also am besten mit einer Person, der du vertraust und arbeite deine eigene Strategie aus. 

Wer ist betroffen? 


Spätestens an dieser Stelle sollte jedoch geklärt werden, wer ist es, von dem wir sprechen? Wer selbst in bester, mentaler Gesundheitsverfassung ist, den wird das nun vielleicht schockieren. Denn: Wir sind vielleicht nicht alle akut betroffen, doch es geht uns alle etwas an! Bei mentaler Gesundheit am Arbeitsplatz geht es vielfach um Prävention, also darum, dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst dazu kommt, dass die psychische Gesundheit unter der Arbeitssituation leidet. Ziel ist es, dass problematische Situationen, die belastend sind, möglichst vermieden werden. Wir sind alle Teile eines Arbeitsumfeld und können einen Teil dazu beitragen, dass es uns allen möglichst gut geht. Auch das ist gelebte Solidarität. Also lasst uns auf unsere eigene, aber auch die Gesundheit der Kolleg:innen achten. 

 

Während der aktiven Coronapandemie sah es kurz danach aus, als hätten alle verstanden wie ernst Belastungen zu nehmen sind und, als würde sich an diesem Punkt grundlegend etwas ändern. War das nur ein Strohfeuer, das längst gelöscht ist? Hoffentlich nicht ganz. Doch in der Berufssparte, in der die meisten psychischen Überlastungen und Erkrankungen zu finden sind, sind nach wie vor pflegende Berufe die Spitzenreiter. Aufsichts- und Führungskräfte haben die Nase bei Burnouts vorne und auch der Verkauf scheint oft zu Überlastungen zu führen, wie Studien von Statista und Co. zeigen. 

 

Ob es ein Zufall ist, dass dies ein „Frauenjob“ ist, sei dahingestellt, doch kann man als Sister hier hellhörig werden. Aus einer Studie des deutschen RKI geht hervor, dass die meisten Erkrankungen im Alter zwischen 35 und 43 auftreten und Frauen über 5 % häufiger an einem chronischen Erschöpfungssyndrom leiden. In einer Studie der Wiener Städtischen und des Gallup-Instituts zeigte sich, dass unter den 1000 Befragten jeder Vierte klagte sich mental schlechter zu fühlen als im Jahr zuvor. Dieser beunruhigenden Tendenz liegt auch die Tatsache zugrunde, dass ein wachsendes Bewusstsein für mentale Gesundheit allgemein und bei Betroffenen zu beobachten ist. In Österreich sind die häufigsten mentalen Erkrankungen, die durch Arbeitssituationen ausgelöst werden Angstörungen, Depressionen und Burnout. Schlafprobleme, Stress und Co. Können dafür Vorboten sein, sind in besonders intensiven Zeiten jedoch auch nicht ungewöhnlich. Wenn die Symptome sich jedoch massiv verschlechtern oder sie über einen langen Zeitraum bestehen bleiben, sollte gehandelt werden. Erste Anlaufstelle kann hier die Hausärztin Erste Anlaufstelle kann hier die Hausärztin sein. 

 

Was sind die Auslöser? 


Die Liste der möglichen Auslöser, ist sehr lang. Krisen, Kriege, rasanter Wandel durch KI in vielen Berufen und vieles mehr können einem schon mal auf den Magen schlagen, und das ist in Ordnung. Immerhin muss der Umgang damit erst erlernt werden. Mehrfachbelastungen durch Care-Arbeit, Elternschaft und Ansprüche im Privatleben sind weitere Faktoren, die uns aufs Gemüt schlagen können. Viel zu festgesetzt in den Köpfen ist der Gedanke, dass nur wer durchbeißt und nie Schwäche zeigt, in der Arbeitswelt Chancen hat. Doch der Arbeitsmarkt, der Arbeitsalltag, die Arbeitswelt sind im Wandel – vielleicht mehr, als es frühere Generationen gekannt haben. Daher ist es wichtig, dass sich auch die Wichtigkeit und das Verständnis für die mentale Gesundheit mitentwickeln. 

Im Interesse aller 


Grund zu verzweifeln? Sicher nicht, denn es kann so einiges getan werden! Gesunde Mitarbeiter:innen zu haben, ist mehr als ein Nice-tohave. Und die Psyche gehört zur Gesundheit zweifelsfrei dazu. Es ist nicht nur wichtig für die (Mit-)arbeitenden Personen, sondern mindestens ebenso für die Arbeitgeber:innen. Gesundheit ist immerhin die Voraussetzung für erfolgreiches Arbeiten. Lasst euch nicht einreden, dass ihr allein dafür verantwortlich seid! Die gute Nachricht: Arbeitgeber:innen können großen Einfluss auf die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden nehmen, im Unterschied zu Einflüssen auf andere körperliche Leiden wie Diabetes und Co. Etwa indem eine angenehme Arbeitsatmosphäre geschaffen wird, mit funktionierender Arbeitsausstattung etwa, ausreichend Platz und indem eine Kommunikationskultur gepflegt wird, die Platz gibt strukturelle und individuelle Probleme und Schwierigkeiten zu besprechen, um hier nur wenige Beispiele zu nennen. 

Resignieren? Nicht mit uns! 


Auch, wenn die Situation in der Arbeitswelt aktuell vielleicht nicht immer optimal aussehen mag, ist das dennoch sicherlich kein Grund den schönen Kopf in den Sand zu stecken. Da sind wir zuversichtlich. Immerhin: Für wen würdet ihr selbst lieber arbeiten: für eine:n Chef:in, die kein Verständnis für die Lebensrealitäten ihrer Mitarbeitenden hat und nur im Druckaufbauen groß ist, oder für jemanden, der zwar vielleicht ebenfalls fordernd ist, aber bemüht ist, dass es allen möglichst gut geht. Und damit meine ich etwas mehr als zweimal Obst die Woche in der Gemeinschaftsküche, alle drei Jahre eine neue Kaffeemaschine oder einmal die Woche Homeoffice. 

Lasst uns also alle miteinander anfangen, es zu normalisieren, darüber zu sprechen, dass ein Task uns überfordert, dass ständiges Nachhaken von Teamleads uns nicht immer motiviert, sondern genauso lähmen kann, und fangen wir an, uns individuelle Lösungen einfallen zu lassen. Die Welt verändert sich – also sollten wir es ihr gleichtun! 

 




Geschrieben von Claudia Schneider