Review: Intonation der Stille

von stephanie Bondi.

Ein Theaterstück, über Crowdfunding finanziert und ausschließlich von Frauen geschrieben, produziert und gespielt, das sollte man sehen. So hab ich mich auf den Weg gemacht zum neuen Stück vom fungke*kunstkollektiv “Intonation der Stille” im TheaterArche.

Sprechen ist nur eine Variation von Still

Wir verfolgen  die Geschichte von Christina, genannt Chrissy, die mittels Brief an ihre Jugendliebe Anna versucht, das Kindheits- und Jugendtrauma vom sexuellen Missbrauch des “coolsten Papa von Österreich” zu verarbeiten.

In Flashback-artigen Episoden erfahren wir, wie es zum M (das Wort wird im gesamten Stück nie ganz ausgesprochen) durch ihren Vater kam und wie dies ihr restliches Leben stark beeinträchtigt. Das schlichte Bühnenbild und die Untermalung der omnipräsenten Stille durch Klavierbegleitung verleihen der Aufführung eine besondere Kraft: die Kraft der Ohnmacht, die das Opfer selbst fühlt.

Foto:Bettina Isabella Zehetner

Berührungen, Stille & Ohnmacht

Das ganze Stück lang kann Chrissy ihre Geschichte nie ganz ausdrücklich erzählen und verfällt dadurch in eine starke Depression. Diese Depression ist Ausdruck ihrer Ohnmacht, die sie daran hindert, ein gutes Leben zu führen (Studienabbruch, einmalige berufliche Chance verfliegen lassen). Chrissy plagen starke Schuldgefühle und Zweifel über das, was passiert ist: Wollte sie vielleicht die Berührungen ihres Vaters? Machte diese  Zuneigung sie glücklich? War das Glück?

Der Missbrauch wird durch die inszenierte Stille und Berührungen sehr eindringlich dargestellt. Die teils sehr direkten Dialoge, welche u.a. den psychischen Druck durch den Vater ausdrücken, ja nichts zu erzählen bzw. die Schuldzuweisung an Chrissy, verschärfen das Ganze noch etwas.

Foto: Bettina Isabella Zehetner

Fazit

“Intonation der Stille” ist eine feinfühlig aber ohne Pathos umgesetzte Darstellung dessen, was sexueller Missbrauch mit einem Menschen macht. Als Publikum erleben wir den jahrelangen Prozess der Realisierung des Traumas mit und beobachten den dadurch entstandenen Identitätsverlust. Das Stück liefert uns Antworten auf Fragen wie “Warum ist sie nicht gleich zur Polizei gegangen?” bzw. “Warum erzählt sie das erst jetzt?” Prädikat: sehenswert!

Weitere Termine: 08.03. & 09.03. im TheaterArche